Ball der Vampire
Stufen heran. »Hast du noch einen Schluck Kaffee übrig?«
Ich verstieß gegen eine der Grundregeln der Gastfreundschaft. »Heute Morgen nicht, nein«, erwiderte ich und stellte mich auf die oberste Stufe, um ihr den Zutritt zur Veranda zu verwehren.
»Nun... Sookie«, sagte sie unsicher. »Du bist ja ein richtiger Morgenmuffel.«
Unverwandt sah ich weiter zu ihr hinunter.
»Kein Wunder, dass Bill Compton sich eine andere gesucht hat«, meinte Tanya und lachte. Sie wusste sofort, dass sie einen Fehler gemacht hatte. »Entschuldigung«, fügte sie hastig hinzu. »Sieht aus, als hätte ich heute Morgen selbst einen Kaffee zu wenig getrunken. Das hätte ich nicht sagen sollen. Diese Selah Pumphrey ist doch ein richtiges Miststück, was?«
Zu spät, Tanya . Laut sagte ich: »Zumindest weiß man, woran man mit Selah ist.« Das war doch deutlich genug, oder? »Wir sehen uns bei der Arbeit.«
»Okay, nächstes Mal rufe ich vorher an, ja?« Sie schenkte mir ein strahlendes, aber leeres Lächeln.
»Hm.« Ich sah zu, wie sie wieder in das kleine Auto stieg. Sie winkte mir fröhlich zu, und nach viel umständlichem Herumgekurve hatte sie den Dodge Dart endlich gewendet und fuhr Richtung Hummingbird Road davon.
Ich sah ihr nach, bis das Motorengeräusch vollkommen verklungen war, erst dann setzte ich mich wieder. Mein Buch blieb auf dem Tisch neben meinem Liegestuhl liegen, ich trank den Rest des Kaffees aus, aber ohne den Genuss, den es mir vorher bereitet hatte.
Tanya führte irgendwas im Schilde.
Es hing ja praktisch ein grelles Neonschild über ihrem Kopf. Das Neonschild hätte mir freundlicherweise nur noch verraten müssen, wer sie war, für wen sie arbeitete und was sie im Schilde führte. Aber das musste ich wohl selbst herausfinden. Ich würde jede Gelegenheit nutzen, um ihre Gedanken zu lesen, und wenn es nicht funktionierte - was vorkommen konnte, nicht nur weil sie Gestaltwandlerin war, sondern auch weil ich niemanden zwingen kann, an das zu denken, was ich gerade wissen will - wenn es also nicht funktionierte, würde ich drastischere Maßnahmen ergreifen müssen.
Wie die aussehen sollten, wusste ich allerdings selbst noch nicht.
Im Laufe des vergangenen Jahres war mir so was wie die Rolle der Zuständigen für alle unheimlichen Gestalten in meiner Ecke von Louisiana zugefallen. Ich war die Botschafterin für ein tolerantes Miteinander aller Arten von Lebewesen und hatte vieles über die andere Welt gelernt, die von den meisten Menschen, obwohl sie ständig um sie herum war, gar nicht wahrgenommen wurde. Irgendwie war's klasse, Dinge zu wissen, die sonst keiner wusste. Aber es komplizierte mein Leben ganz schön, und es hatte mich schon in gefährliche Situationen mit Wesen gebracht, die ihre Existenz unbedingt geheim halten wollten.
Im Haus klingelte das Telefon, und ich stand auf, ließ diese trüben Gedanken hinter mir und hob ab.
»Hey, Süße«, sagte eine warme Stimme am anderen Ende der Leitung.
»Quinn.« Ich versuchte nicht zu erfreut zu klingen. Nein, ich war mit diesem Mann nicht emotional verstrickt, aber ich konnte es einfach gut gebrauchen, dass mal was Positives in meinem Leben geschah, und Quinn war nicht nur eindrucksvoll, sondern auch attraktiv.
»Was machst du gerade?«
»Oh, ich sitze im Bademantel auf der vorderen Veranda und trinke Kaffee.«
»Da würde ich gern einen mittrinken.«
Hmmm. War das jetzt nur so dahingesagt oder der Wunsch nach einer Einladung?
»Es ist noch genug Kaffee in der Kanne«, sagte ich vorsichtig.
»Ich bin in Dallas, sonst käme ich jetzt sofort zu dir.«
Schon war die Luft wieder raus. »Wann bist du denn abgereist?«, fragte ich, weil mir das noch am wenigsten neugierig erschien.
»Gestern. Die Mutter eines Typen, der hin und wieder mal für mich arbeitet, hat angerufen. Er ist vor Wochen mitten in einem Auftrag, den wir in New Orleans hatten, einfach nicht mehr aufgetaucht. Ich war ziemlich sauer auf ihn, habe mir allerdings nicht wirklich Sorgen gemacht. Er arbeitet immer freiberuflich und hat eine Menge Eisen im Feuer, die ihn durchs ganze Land führen. Doch seine Mutter sagt, er hat sich nirgends wieder gemeldet, und sie glaubt, dass ihm was zugestoßen ist. Ich sehe mich in seinem Haus um und gehe seine Unterlagen durch, um ihr zu helfen. Bisher führt alles immer nur an einen toten Punkt. Sieht so aus, als würden seine Spuren in New Orleans enden. Morgen fahre ich nach Shreveport zurück. Musst du da arbeiten?«
»Ja, ich habe
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