Ball der Vampire
ja ein paar Zeilen über Hadley einschicken. Aber Sie wissen ja, wie Vampire tratschen. Es haben sicher eine Menge Leute mitbekommen, dass Hadley zum zweiten Mal, also endgültig gestorben ist. Spätestens, als Waldo vom Hof der Königin verschwand. Jeder wusste, dass er nichts für Hadley übrig hatte. Allerdings gibt es ja keine Beerdigungen für Vampire. Die Einbrüche haben wahrscheinlich überhaupt nichts mit Hadleys Tod zu tun.«
»Oh, Sie kannten Waldo«, sagte ich, um ihren Redefluss zu stoppen. Waldo, einst Günstling der Königin - nicht im Bett, sondern als Lakai -, hatte sich nicht damit abgefunden, dass meine Cousine Hadley ihn verdrängte. Als Hadley über eine noch nie da gewesene Zeitspanne hinweg die Gunst der Königin genoss, hatte Waldo sie auf den St.- Louis-Friedhof gelockt, unter dem Vorwand, dass sie dort den Geist von Marie Laveau, der berüchtigten Voodookönigin von New Orleans, beschwören wollten. Doch stattdessen tötete er Hadley und beschuldigte die Bruderschaft der Sonne des Mordes. Mr Cataliades hatte mir so lange Hinweise gegeben, bis ich in Waldo den Schuldigen erkannte, und die Königin hatte mir die Möglichkeit gewährt, Waldo selbst hinzurichten - das war es, was sie unter einem »großen Gunstbeweis« verstand. Ich hatte dankend verzichtet. Doch auch er war jetzt tot, genauso endgültig tot wie Hadley. Ich schauderte.
»Tja, ich kenne Waldo besser als mir lieb ist«, erwiderte Amelia Broadway mit der Offenheit, die charakteristisch für sie zu sein schien. »Aber Sie sprechen in der Vergangenheitsform von ihm. Darf ich etwa hoffen, dass Waldo seine allerletzte Reise angetreten hat?«
»Das dürfen Sie«, sagte ich. »Und die Hoffnung ist sogar schon zur Sicherheit geworden.«
»Oh, wow!«, rief sie glücklich.
Na, zumindest einer Person hatte ich heute schon Freude beschert. Ich las in Amelias Gedanken, wie sehr sie den Vampir gehasst hatte, und konnte ihr keinen Vorwurf machen. Er war abscheulich gewesen. Amelia war eine sehr zielstrebige Frau, was sie sicher zu einer eindrucksvollen Hexe machte. Doch in diesem Moment hätte sie besser darüber nachdenken sollen, was ich mit all dem zu tun hatte, und das tat sie nicht. Es hat auch Nachteile, sich zu sehr auf ein einziges Ziel zu konzentrieren.
»Sie wollen also Hadleys Wohnung ausräumen, damit in Ihr Haus nicht mehr eingebrochen wird? Von diesen Dieben, die von Hadleys Tod erfahren haben?«
»Genau«, erwiderte sie und trank ihren letzten Schluck Kaffee. »Mir gefällt's, wenn ich weiß, dass auch noch jemand anders im Haus ist. Ich finde so ein leer stehendes Apartment gruselig. Wenigstens können Vampire nicht als Geister umgehen.«
»Das wusste ich gar nicht.« Darüber hatte ich noch nie nachgedacht.
»Es gibt keine Vampirgeister«, erklärte Amelia lebhaft. »Nicht einen einzigen. Man muss als Mensch gestorben sein, um als Geist umgehen zu können. Hey, soll ich Ihnen vielleicht wahrsagen? Ich weiß, das klingt ein bisschen unheimlich, aber ich bin wirklich gut, echt!« Sie dachte, sie könnte mir ein bisschen touristischen Nervenkitzel verschaffen, da ich ja sowieso nicht lange in New Orleans bleiben würde. Und sie war überzeugt, je netter sie zu mir wäre, umso schneller würde ich Hadleys Wohnung auflösen, so dass sie das Apartment anderweitig vermieten könnte.
»Klar«, sagte ich langsam. »Wenn Sie wollen, jetzt gleich.« Eine prima Gelegenheit, um herauszufinden, wie gut Amelia als Hexe wirklich war. Denn mit den typischen Hexen hatte sie keinerlei Ähnlichkeit. Amelia sah gepflegt, blühend und gesund aus wie eine Vorstadthausfrau mit Ford Explorer und Irish Setter. Schneller als ich gucken konnte, zog sie Tarotkarten aus der Tasche ihrer Shorts und beugte sich über den Couchtisch, um die Karten auszulegen. Das tat sie sehr rasch und professionell, ohne dass ich darin irgendeinen Sinn erkannt hätte.
Nachdem sie eine Weile über den Bildern gegrübelt hatte, hielt ihr über die Karten wandernder Blick inne und fixierte einen Augenblick lang den Tisch. Ihr Gesicht lief rot an, und sie schloss die Augen, als würde sie sich fast zu Tode schämen. Was sie auch tat.
»Okay«, sagte sie schließlich leise und ausdruckslos. »Was sind Sie?«
»Telepathin.«
»Immer ziehe ich voreilige Schlüsse! Warum lerne ich nie dazu!«
»Keiner hält mich für irgendwie unheimlich«, sagte ich so sanft wie nur möglich, doch sie zuckte zusammen.
»Na, den Fehler mach ich kein zweites Mal«, erwiderte sie.
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