Ball der Versuchung
kommt«, sagte Miranda. »Bald ist es vorbei.«
Bevor Claire fragen konnte, was sie meinte, berührte Myrnin sie an der Schulter und sagte: »Sie fangen mit der Zeremonie an.«
John of Leeds war durch die Flügeltüren hinter der Bühne gekommen und hatte an einem Rednerpult aus dunklem Holz Stellung bezogen. Er trug den traditionellen Wappenrock eines Herolds, bemerkte Claire, wie in Büchern oder auf Gemälden. Fast erwartete sie, dass er eine lange, dünne Trompete hervorholte.
Stattdessen öffnete er das Buch, das er draußen vor dem Saal in der Hand gehalten hatte.
»Sehet«, sagte er mit tiefer, samtweicher Stimme, »an diesem Tag ist jemand zu uns gekommen, der unserer Lehenstreue würdig ist, und mit einer Stimme heißen wir ihn in unserem Haus willkommen.«
Bishop stand auf. Auf der Bühne ging ein Vorhang auf, hinter dem ein riesiger Thron aus dunklem Holz mit üppigen Schnitzereien stand.
Bishop ging die Stufen hinauf, um darauf Platz zu nehmen. Claires Mutter blieb auf ihrem Platz am Tisch sitzen.
»Was passiert jetzt?«, fragte Claire. Myrnin gebot ihr, still zu sein.
»Wenn ich euren Namen aufrufe, dann kommt mit eurem Tribut nach vorne«, sagte John. »Maria Theresa.«
Eine hochgewachsene Spanierin in einem glitzernden Matadorkostüm stand auf, nahm den Mann, den sie mit zu dem Fest gebracht hatte, beim Arm und geleitete ihn hinauf auf das Podium. Sie verbeugte sich vor Amelie und wandte sich dann an Bishop auf seinem Thron. Sie verbeugte sich abermals.
»Ich gebe dir meine Lehenstreue«, sagte sie. »Und mein Geschenk.«
Sie blickte den Mann an, der neben ihr stand. Er wirkte... betäubt. Erstarrt.
Bishop schaute ihn an und lächelte. »Fürstlich«, sagte er. »Ich danke dir für dein Geschenk.«
Er schnipste mit den Fingern nach ihnen und es war vorbei. Einfach so.
»Wassili Iwanowitsch«, rief John of Leeds und die Parade ging weiter.
Niemand wurde getötet. Es war, wie Myrnin gesagt hatte... ein Zeichen. Eine Geste.
Claire ließ Luft aus ihrer Lunge entweichen. Sie war sich gar nicht bewusst gewesen, dass sie sie angehalten hatte, aber ihr ganzer Brustkasten schmerzte. »Er könnte sie töten. Oder? Wenn er das wollte?«
»Richtig«, sagte Myrnin. »Aber er tut es nicht.« Unter seinem Clown-Make-up sah er ernst und konzentriert aus. »Ich frage mich, was ihn davon abhält.«
Claire war sich darüber im Klaren, dass das jetzt noch Stunden so weitergehen würde. Sie war froh, dass sie Sitzplätze hatten, es wäre eine Qual, stehen zu müssen. Immer wenn John of Leeds einen Namen aufrief, stand ein Vampir oder eine Vampirin auf und führte einen Menschen hinauf, um ihn Bishop zu präsentieren; Bishop nickte dann, und das war es.
Es ging um Leben und Tod, aber irgendwann wurde es wirklich langweilig.
Und dann plötzlich nicht mehr.
Der erste Hinweis darauf erfolgte, als Sam mit seinem »Geschenk« auf das Podium stieg - er verbeugte sich vor Amelie, aber Bishop nickte er nur zu. Myrnin gab ein leises Geräusch von sich und beugte sich vor. Seine dunklen Augen waren gespannt vor Aufmerksamkeit. Bishop richtete sich ein wenig auf seinem Thron auf.
»Ich heiße Sie in Morganville willkommen«, sagte Sam. »Aber ich werde Ihnen nicht meine Treue schwören.«
Im Saal wurde es absolut still, man hörte nicht einmal mehr das leichte Rascheln der Kleidung oder das Klirren von Porzellantassen wie bisher. Claire bemerkte, dass Amelie näher an Sam herangerückt war, als sie es bei den anderen Vampiren getan hatte.
»Nicht«, fragte Bishop und winkte Sam nach vorne. Sam gehorchte, indem er einen einzigen Schritt nach vorn machte. »Deine Herrin wird mich anerkennen. Warum willst du das nicht?«
»Ich habe andere Eide geschworen.«
»Du hast ihr Treue geschworen«, sagte Bishop. Sam nickte. »Na schön, dann wird ihr Treueschwur an mich auch dich verpflichten, Samuel. Das sollte genügen.« Er nahm das Mädchen in Augenschein. »Lass mir das Geschenk da.«
Sam rührte sich nicht. »Nein.«
Amelie murmelte ihm etwas zu. aber es war so leise, dass Claire es trotz der hervorragenden Akustik des Saales nicht verstehen konnte.
»Ich bin für sie verantwortlich«, sagte Sam. »und wenn Sie ein Geschenk wollen, dann nehmen Sie doch, was Morganville Ihnen anbietet. Freiheit.«
Er griff in die Tasche seiner mit einem Strick zusammengehaltenen Huck-Finn-Jeans und zog eine Packung Blut heraus.
Ysandre sprang von ihrem Platz auf. Ebenso François. »Wag es nicht!«, zischte François und
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