Balla Balla
löchrigen Mokassins. Keine Ahnung. Jetzt sah Plotek der Schwester direkt in den Ausschnitt ihrer Kittelschürze, wo frech eine kleine Tätowierung herausschaute. Was da genau auf der Haut eingeritzt war, konnte er leider nicht erkennen. Das muss doch wehtun, dachte Plotek noch, da auf der zarten Brust, als Schwester Sieglinde das Glas an seinen Mund führte. »Trinken Sie«, sagte sie, »das hilft.«
Dann stand sie auf, wandte sich an Jo Hillebrand und zischte streng: »Machen Sie den Kopfhörer leiser und nehmen Sie ein wenig Rücksicht auf die anderen Patienten.«
Jo Hillebrand grinste boshaft und erwiderte: »Den Kopfhörer kann man nicht leiser machen, liebe Schwester Siegheil, höchstens den MP3-Player. Und wer sind denn die anderen, wenn ich fragen darf?« Er richtete sich im Bett auf und sah sich demonstrativ um.
Klugscheißer, dachte Plotek und wollte der Schwester zu Hilfe eilen. Aber vergiss es. Natürlich brachte er wieder mal den Mund nicht auf. Und ärgerte sich darüber.
»Sehr witzig«, sagte Schwester Sieglinde, »Sie wissen ganz genau, was ich meine.«
Jo Hillebrand zog die Schultern bis zu den Ohren und grinste wieder. Dabei wirkte er noch jünger, wie ein Lausbub vor der Pubertät.
»Das hier ist ein Krankenzimmer und keine Umkleidekabine.«
»Stimmt, in Umkleidekabinen gibt es keine alten Jungfern, die herumbellen«, sagte Jo so leise, dass er kaum zu verstehen war. Kaum. Denn Plotek verstand. Und Schwester Sieglinde auch.
»Und Rücksicht ist ein Wort, das Sie vielleicht nicht kennen, aber möglichst schnell lernen sollten.«
»Wau, wau, wau!«, bellte Jo Hillebrand und schien sich köstlich zu amüsieren.
Schwester Sieglinde ging zur Tür. »Wenn es nicht besser wird, läuten Sie einfach. Dann bringe ich Ihnen was anderes«, sagte sie zu Plotek, lächelte und verschwand.
Auch Plotek versuchte zu lächeln. Es misslang. Jo Hillebrand versuchte noch immer einen Yorkshireterrier zu imitieren.
»Und gefällt sie dir?«
Plotek drehte ihm den Rücken zu und ließ unter seiner Decke einen lauten Furz in Richtung des anderen Bettes entweichen.
»So ’ne Sau!«, hörte er Jo Hillebrand noch brummen, bevor er mit einem Lächeln einschlief, weil er gerade an Peter Pacult dachte, der wo nicht Weltmeister wurde, aber so schöne Stilblüten sagen konnte wie: Ja, der FC Tirol hat eine Obduktion für mich.
6
Als Plotek nach Stunden wieder aufwachte, schlief Jo Hillebrand. Der Power-Drink auf dem Nachttisch war leer. Die Packung mit den Bonbons noch immer da. Ich dachte, so etwas macht fit, sinnierte Plotek und schmunzelte. Das Schmunzeln allerdings verging ihm schnell, als er nämlich Jo Hillebrand schnarchen hörte. Und zwar so dermaßen laut, dass er nicht mehr einschlafen konnte. Zunächst verdächtigte Plotek den Superstürmer, ihn, Plotek, absichtlich beim Schlafen zu stören. Als sich aber Lautstärke und Schnarchfrequenz über die nächste halbe Stunde hinweg nicht veränderten, war ihm klar, dass er nichts dafür konnte. Ich auch nicht, dachte Plotek und wälzte sich von der einen Seite auf die andere, ohne ein Auge zuzumachen. Draußen war es bereits dunkel und in seinem Kopf feierte der Schmerz noch immer After-Work-Partys. Also hievte er sich schließlich, schon halb taub von der ganzen Schnarcherei und völlig gerädert aus dem Bett, schleppte sich zur Tür und torkelte auf den Krankenhausflur hinaus. Der Flur war nur schummrig beleuchtet. Langsam tastete er sich auf der Suche nach der Schwester an der Wand entlang. Jetzt merkte er nicht nur den Schmerz im Kopf. Auch die Beine zitterten und um die Brust herum stach es bei jedem Atemzug. Das Krankenhaushemdchen flatterte in der abgestandenen Luft und sein nackter Arsch war für jedermann zur Besichtigung freigegeben. Ihm war das ziemlich peinlich. Nicht nur die unfreiwillig zur Schau gestellte Nacktheit war Plotek ein Dorn im Auge, auch das lächerliche Hemdchen stieß nicht gerade auf seine uneingeschränkte Zustimmung. Außerdem zog es an den Arschbacken wie an einer viel befahrenen Kreuzung. Bloß gut, dass außer ihm niemand mehr unterwegs war, dachte Plotek. Aber denkste. Noch ehe der Gedanke zu Ende gedacht war, bog schon eine Gestalt im gleichen Krankenhaushemdchen um die Ecke. Ein Rollwägelchen mit Infusionsflasche hinter sich herziehend kam sie ihm schwankend entgegen. Als sie auf gleicher Höhe waren, blieb der Mann, ungefähr doppelt so alt wie Plotek und noch viel dicker, neben ihm stehen. Er holte tief Luft und
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