Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Balla Balla

Balla Balla

Titel: Balla Balla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
Vom Netzwerk:
sie geheime Botschaften preisgeben. Er kniff die Augen zusammen und als er sie wieder öffnete, hatten alle Spieler auf dem Rasen dieselben rosafarbenen Trikots an, auf denen eine Konservendose abgebildet war. Suppi-extra-plus. Plotek konnte die Mannschaften gar nicht mehr auseinanderhalten. Irgendwie sahen die Spieler alle gleich aus. Und der Schiedsrichter auch. Die Linienrichter ebenfalls. Dann gellte ein Pfiff durchs Stadion.
    »Halbzeit«, sagten Beckenbauer, Hoeneß, Breitner und Gerd Müller, der Bomber der Nation mit Rauschebart und einem rauchenden Glimmstängel in der Hand. »Bringst du mir auch eins mit?«
    Plotek ging los und holte sich einen Becher Bier am Bierstand. Na ja, so einfach war das dann auch wieder nicht. Denn seine Beine fühlten sich an wie Pfannkuchen und sein Kopf hatte die Konsistenz von Apfelmus. Selbst eine kurze Strecke zurückzulegen wurde zum akrobatischen Akt und nicht hinzufallen stellte eine Herausforderung dar. Außerdem musste Plotek auf dem Weg zum Bierstand plötzlich feststellen, dass auch die Zuschauer wie Spieler aussahen, Spieler beim Eiskunstlauf, die auf dem schwankenden Stadionboden dahinglitten. Oder schwankte vielleicht nur er? Plotek blieb stehen. Der Boden bebte noch immer und das Stadion bewegte sich, als wäre alles flüssig. Es kam ihm so vor, als fließe er selbst dahin. In Richtung Bierstand oder zumindest in seine Nähe. Fußball ist, wenn man in der Halbzeit für ein Würstchen in der Schlange stehen muss, dachte Plotek mit den Worten von Yves Eigenrauch, als er die Menschenschlange vor dem Bierstand sah. Stellte er sich eben hinten an und wartete, bis die Schlange immer kleiner wurde. Dabei dachte er an Schnauzbärte. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht, weil Fußballspieler heutzutage keine mehr haben. Seit Uli Stielike ist der Schnauzbart nicht mehr fußballkompatibel. Schnauzbärte sind bei Profifußballern nicht mehr stilgerecht. Grungebärtchen ja, Schnauzbart nein. Vielleicht sollte ich mir einen Schnauzbart wachsen lassen, dachte Plotek, es ist nie verkehrt, Außenseiter zu sein. Jenseits der Mode, fernab der Massenkompatibilität. Schnauzbartsubversion quasi. Ein Blick zur Seite neben die Bierbude allerdings vertrieb den Schnauzbartgedanken. Dort stand nämlich ein Polizist mit Schnauzbart. Und daneben noch einer. Auch mit Schnauzbart. Noch immer trägt jeder zweite Polizeibeamte einen Schnauzbart. Auch die Jüngeren. Also: Schnauzbartsubversion dahin. Und: Schlange futsch.
    »Was darf’s sein?«, fragte der Bierverkäufer, mit Schnauzbart und rotem Gesicht.
    »Zwei Bier.«
    »Sechs Euro.«
    Sind zwölf Mark, dachte Plotek, für einen Fußballclub, der anders sein möchte als die anderen, ganz schön viel. In den Preisen unterschied sich Altona-Nord nicht von der kickenden Millionentruppe aus dem südlichen Teil des Landes. Das Bier kostete hier wie dort gleich viel und war völlig überteuert.
    »Danke.«
    »Der nächste!« Plotek stand plötzlich im Weg.
    »Pass doch auf!«, zischte der Nächste, ein offenbar gar nicht so friedliebender Fan, der aussah wie Franz Beckenbauer oder Gerd Müller oder Paul Breitner und ... hopsala, schon wieder spendete der Becher der Cordjacke ein wenig Bier. Olfaktorischer Gleichstand.
    Wie er mit den zwei Bieren den Weg zurück zum Rauschebart auf der Tribüne fand? Keine Ahnung. Auf jeden Fall stand er jetzt wieder neben ihm, während auf dem Platz die rosa Spieler erneut hin und her rannten, immer dem Ball hinterher. Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubender Knacks, so als würde man einen armdicken Ast übers Knie brechen. Einer der Spieler blieb wie tot auf dem Rasen liegen. Im Stadion war es ganz ruhig. Niemand sang mehr, auch Beckenbauer, Breitner und Netzer waren nicht zu hören und die guten Freunde auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Totenstille. Der Spieler lag am Boden, umringt von den anderen, und sah aus, als ob er nie mehr wieder aufstehen wollte. Dann kamen Sanitäter und trugen ihn auf einer Trage vom Platz.
    »Scheiße«, sagte der Rauschebart, »das ist Jo Hillebrand und so wie es aussieht, fällt der jetzt auch wieder für Wochen aus.« Er schluchzte in seinen grün-roten Schal hinein. Und nahm erneut einen tiefen Zug von der verbotenen Substanz.
    »Willst du?«
    Also nahm Plotek auch noch einen, schüttelte sich wie ein nasser Hund und ließ seinen Blick schweifen. Oben in der letzten Reihe der Gegentribüne entdeckte er plötzlich ein Gesicht, das ihm bekannt vorkam. Das war aber weder Beckenbauer,

Weitere Kostenlose Bücher