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Balla Balla

Balla Balla

Titel: Balla Balla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Vielleicht, weil er von weitem die Flutlichtanlage brennen sah. Auf jeden Fall dachte er, komisch, um diese Uhrzeit, machen die Kicker von der Spielvereinigung vielleicht eine Sonderschicht gegen den Abstieg? Dankbar ließ er sich von seinen Gedanken an Piotr und dessen Tod ablenken. Nicht weit entfernt schlug eine Kirchturmuhr drei Mal. Plotek steckte sich eine Zigarette an und rauchte, starrte gedankenlos auf das Stadion vor sich. Die Bilder von Piotr waren jetzt verschwunden. Vielleicht blieb er deshalb so lange am Stadion stehen. Vielleicht auch nicht. Als er eine letztes Mal tief an seiner
    Zigarette gezogen und die Kippe mit der Fußspitze ausgetreten hatte, dachte er, vielleicht kann man ja was sehen. Er ging zum Clubheim des Stadions. Zu seiner Überraschung war eines der Tore nur angelehnt. Verwundert blieb er stehen, wagte nicht hineinzugehen. Doch dann siegte die Neugier. Irgendein ungutes Gefühl trieb Plotek ins Stadion hinein. Eine weitere Überraschung erwartete ihn. Als er nämlich am Eingangstor vorbei die Treppen zur Tribüne hinaufschlenderte, sah er, dass der Platz zwar hell erleuchtet, aber leer war. Also keine kickenden Spieler, kein Nachttraining, keine Sonderschichten. Nichts. Na ja, nicht ganz. Am Mittelkreis konnte Plotek sehr wohl etwas erkennen. Da lag etwas. Was das war, konnte er nicht sagen. Plotek ging die Tribüne hinunter. Mit jedem Schritt wurde das Etwas klarer erkennbar. Aus einem kleinen Bündel wurde ein größeres. Als er schließlich am Spielfeldrand stand, war klar, dass es sich bei dem Bündel um einen ziemlich großen Gegenstand handeln musste. Er stieg über die Werbetafeln und ging über den Platz. Schließlich war der Gegenstand so konkret, wie es Plotek gar nicht recht war. Genau auf dem Punkt zum Mittelkreis lag nämlich kein Gegenstand, sondern ein Mensch. Ein toter Mensch, wie es den Anschein machte. Wer es war, konnte Plotek auf den ersten Blick nicht erkennen. Es war ein Mann, so viel war klar. Er lag nämlich splitterfasernackt da, eingewickelt lediglich in ein Tornetz. Auf seinem Kopf saß ein aufgeschnittener Fußball. Darunter sahen lange, blonde Haare hervor. Augenblicklich wurde Plotek klar, wer der Mensch, nackt und tot im Mittelkreis des Stadions liegend, war. Wenny! Das war Wenny. Das war kein schöner Anblick. Das war ein perverser Anblick. Das war nicht nur ein Mord, das war eine Inszenierung. Da war ein Mensch hingerichtet worden. Und zum Anstoß freigegeben. Im wahrsten Sinne des Wortes. Gebannt und angewidert gleichzeitig, konnte Plotek seinen Blick gar nicht mehr von dem toten Wenny wenden. Plötzlich entdeckte er am linken Oberarm eine Tätowierung: VfR stand da in schnörkeliger Schrift. Und sofort war Plotek klar, was das bedeutete: Verein für Rasenspiele, Aalen, Fußball, B-Jugend, 80er-Jahre. Oder einfach: Kindheit. Er musste sich zwingen wegzusehen, bevor er in den tiefen Abgründen seiner eigenen Kindheit versank. Unterhalb der rechten Brustwarze entdeckte er eine weitere kleine Tätowierung. Ein Ball, ein kleiner tätowierter Ball, umgeben von einem Dreieck. Der dicke Verschwörungstheoretiker mit den Plüschpantoffeln aus dem Krankenhaus würde dazu wieder Pyramide sagen und Auge und von den Illuminaten anfangen – aber vergiss es. Das war auf jeden Fall der gleiche Ball wie auf Sieglindes Brust, dachte Plotek. Wenny und Sieglinde! Die beiden waren offenbar vor Wennys homophiler Phase ein Paar gewesen. Zumindest hatten sie sich die gleichen Schmerzen zufügen lassen. So etwas machte man ja nicht aus Hass oder Feindschaft. Wolle hatte schon so etwas Ähnliches angedeutet. Plotek war vollkommen in Gedanken versunken, als er plötzlich einen Knall hörte. Als wäre eine Tür zugefallen. Er erschrak. Nichts wie weg, dachte er. Aber noch ehe er sich aus dem Staub machen konnte, ging mit einem Schlag das Flutlicht aus. Scheiße, dachte Plotek, außer mir ist noch jemand im Stadion. Der Mörder, klar. Oder aber es war die Schaltuhr. Wie auch immer, ich sehe nichts mehr. Er wartete ein wenig, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Es war noch immer zappenduster im Rund. Nur die Sterne am Himmel spendeten ein wenig Licht. Jetzt aber schnell schnell, hätte man denken können. Aber vergiss es. Plotek war da einfach anders. Jeder andere hätte jetzt Angst, womöglich Panik bekommen und wäre schnellstmöglichst auf und davon. Plotek nicht.
    Eher im Gegenteil. Seelenruhig zündete er sich eine Zigarette an und wartete, bis er sich an

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