Ballade der Leidenschaft
eingeweiht.
„Ah, ich verstehe.“ Rose ließ die Kette mit dem Kreuz los und schaute Ben über den Tisch hinweg an. Ja, eindeutig, sie wirkte erleichtert. Sein Herz begann schneller zu schlagen. „Hoffentlich stört es meinen Bruder nicht, wenn ich hierbleibe, bis wir Richard eine Nachricht schicken können.“
„Oh, du würdest bei uns wohnen wollen?“ Aufrichtige Freude ließ Lady Cecily erstrahlen. Bewundernd betrachtete sie Roses Kleid. Mit einem Finger zeichnete sie die Stickerei auf dem Kragen nach. „Diese schönen Sachen hast du selbst genäht, nicht wahr?“
„Ja.“
Cecily lächelte; die flachsblonde Locke, die ihr auf die Schulter hing, schimmerte golden in einem Sonnenstrahl. „So glücklich wäre ich, wenn du länger bei uns bleibst. Weißt du, Rose, in damenhaften Künsten bin ich – wie soll ich es bloß ausdrücken? – nicht sonderlich bewandert. Um ehrlich zu sein, ich bin deinem Bruder keine gute Ehefrau.“
Lässig winkte Rose ab. „Daran zweifle ich.“
Cecilys Augen funkelten. „Doch, es stimmt. Ich verbrachte viele Jahre in einem Kloster und half den Nonnen bei der Arbeit im Kräutergarten. Deshalb weiß ich, welche Jahreszeit für die Saat am günstigen ist. Ich kann die Zweige eines Apfelbaums an einer Mauer befestigen, Kräuter pflanzen und Gemüsebeete pflegen. Aber mit Nadel und Faden und dergleichen umgehen …“ Lachend erschauerte sie. „Nun, du hast selbst gesehen, wie schnell ich heute meine Spindel beiseitelegte, als ich euch heranreiten sah. So froh war ich über die Ablenkung.“ Sie seufzte tief auf. „Was das Nähen betrifft … Bisher haben mich meine mangelnden Fähigkeiten nicht gestört. Aber jetzt …“ Sie strich über ihren runden Bauch. „Wirklich, ich müsste Kleidchen für mein Baby anfertigen. Aber ich schaffe es nicht einmal, Windeln zu säumen. Meine Zofe ist genauso ungeschickt – und Gudrun viel zu beschäftig. Würdest du mir helfen?“
„Sehr gern.“ Auf Roses Wangen sah Ben endlich wieder die Grübchen, die er so liebte.
„Danke – nun kann ich endlich eine gute Ehefrau werden.“
Bens Herz erwärmte sich für Lady Cecily of Fulford. Allzu leicht konnte es nicht gewesen sein, Adams zweite Gemahlin zu werden – insbesondere, weil er seine erste Frau Gwenn so sehr geliebt hatte.
Da sich das Gespräch um häusliche Dinge drehte und die Gefahr zunächst gebannt schien, stand Ben auf und schlenderte zur Tür. Nur mit halbem Ohr lauschte er dem Gespräch von Rose und Cecily und dankte seinem Schicksal, weil Sir Richard gerade zur rechten Zeit abgereist war. Eine Schulter an den Türrahmen gelehnt, beobachtete er ein paar Hühner, die im Gras vor der Burg scharrten. In der Ferne rumpelte ein Mühlenrad, Gänse schnatterten.
Nicht hier – Sir Richard ist nicht hier. Ben unterdrückte ein Lächeln. Dadurch gewann er Zeit. Wie lange wird es dauern, bis der Ritter zurückkehrt? Über seine Schulter spähte er zu Rose hinüber und schnappte ein paar Bemerkungen darüber auf, welche Stoffe sich am besten für Windeln eigneten. Dann hörte er Lady Cecily erschrocken aufschreien, als sie die frische Narbe auf der Handfläche ihrer Schwägerin entdeckte.
Plötzlich erkannte er, dass er nicht wusste, was Rose wirklich von Sir Richards Abwesenheit hielt. Allzu bestürzt wirkt sie nicht … Am Tisch ertönte helles Gelächter. Und sie scheint sich kein bisschen nach ihm zu sehnen.
Frauen! Wie rätselhaft sie waren … Dafür dankte er dem Allmächtigen. Ein wehmütiges Lächeln umspielte seine Lippen, als er Rose wieder betrachtete. Nun löste sie die Nadeln aus ihrem Schleier. Offenbar fühlte sie sich bereits heimisch in dieser Halle. Ihr dicker Zopf hing hinab, und es juckte in Bens Fingern, ihn zu entwirren. Obwohl sie ihm den Rücken zuwandte, wusste er, dass sich ihre Grübchen zeigten. Seine Stimmung hellte sich auf. Von Anfang an hatte er Adams angelsächsische Ehefrau gemocht. Auch Rose schien ihr zugetan, und das gefiel ihm. Aber er hätte nicht sagen können, warum.
„Wie Adam mir erzählte, habt Ihr einen großen Wandbehang für das Schloss in Quimperlé entworfen“, hörte er Lady Cecily sagen.
Rose nickte, legte den Schleier auf den Tisch und griff nach einem Apfel. Ja, sie fühlte sich zweifellos heimisch. Welch eine kluge, gastfreundliche und liebenswerte Frau Cecily war …
Nun deutete sie auf die Wand gegenüber der Tür, wo ein rußgeschwärzter Teppich hing. „Den hat meine Großmutter gefertigt. Leider hat er
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