Ballade der Liebe
Abend stand Flynn wieder in der Rotunde in Vauxhall Gardens und lauschte dem süßen Klang von Rose O’Keefes Sopran. Er hatte einen Tisch für drei Personen in einem Separee reserviert und ihrem Vater ein Billet zukommen lassen mit der Bitte, seine Tochter nach ihrem Auftritt in die Loge zu begleiten, wenn Signor Rivolta, ein Künstler, der sechs oder acht Instrumente gleichzeitig spielte, an der Reihe war. Flynn zweifelte nicht daran, dass Mr. O’Keefe dem Treffen zustimmen würde.
Sie trug wieder das burgunderfarbene Kleid, rot wie die Glut der Leidenschaft, das ihren hellen Teint rosig schimmern ließ. Flynn redete sich ein, er bewundere ihre Schönheit auf die gleiche Weise, wie er die Schönheit einer Blume oder eines Gemäldes bewundern würde. Ja, er verstieg sich sogar zu der poetischen Schwärmerei, ihre Schönheit erinnere ihn an das goldene Licht eines Sonnenuntergangs in Ballynahinch.
Er blieb, bis sie sich ein letztes Mal verneigt hatte und hinter der Bühne verschwunden war. Erst dann begab er sich in den Arkadengang, um zu prüfen, ob alles im Separee seinen Wünschen gemäß angerichtet war – ein leichtes Souper erlesener Delikatessen, Früchte, Süßigkeiten und Champagner. Anschließend wanderte er ruhelos in den Arkaden auf und ab, und jedes Mal, wenn das Orchester eine Pause machte, stockte ihm der Atem.
Schließlich verstummte das Orchester endgültig. Das Konzert war zu Ende. Flynn begab sich in die Loge, und bald kündigte sich die Ankunft der O’Keefes an. Zu seinem Schrecken hörte er als Erstes Miss Dawes’ aufdringliche Stimme, bei deren schrillem Klang sich ihm die Nackenhaare sträubten. Er hätte wissen müssen, dass sie sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen würde.
„Benimm dich gefälligst, mein Fräulein. Ich lasse nicht zu, dass du deinem Vater Kummer machst …“ Als sie Flynn entdeckte, schlug ihr Gezeter in honigsüße Flötentöne um. „Mr. Flynn! Wie reizend, Sie zu sehen“, säuselte sie.
„Guten Abend“, grüßte Flynn in die Runde. Als er sich an die schlanke, in ein bodenlanges Cape gehüllte Gestalt wandte, klang seine Stimme belegt. „Miss O’Keefe.“
Sie nickte. „Mr. Flynn.“
„Sehr freundlich von Ihnen, Sir.“ O’Keefe betrat die Loge in vorgebeugter Haltung und zögerte, bevor er Flynns ausgestreckte Hand ergriff. O’Keefes Finger waren knochig, aber sein Händedruck war fest und warm.
„Sehr freundlich“, murmelte er noch einmal und wandte sich an seine Tochter. „Nicht wahr, Mary Rose?“
Sie bedachte ihren Vater mit einem stummen Blick und wandte sich an Flynn. „Ist der Marquess auch anwesend?“
Dem Vater und Miss Dawes war die hoffnungsvolle Erwartung deutlich anzusehen, während Miss O’Keefe immer noch keine Spur von Begeisterung zeigte.
„Der Marquess ist leider durch anderweitige Verpflichtungen verhindert“, schwindelte Flynn in diplomatischer Höflichkeit. „Setzen wir uns zu einem kleinen Souper.“
O’Keefe näherte sich dem runden Tisch, vornehm gedeckt mit Damasttuch, feinem Porzellan, Silber und Kristallgläsern. Flynn rückte Miss O’Keefe einen Stuhl zurecht, winkte einen Diener herbei und bat um ein viertes Gedeck. Dann wurde das Essen serviert. Zarter Kapaun, gefolgt von einer Auswahl würziger Käse und Früchte. Der Diener entkorkte eine Flasche Champagner und füllte vier Gläser.
„Oh, Perlwein!“, rief Miss Dawes entzückt. „Ich liebe Perlwein. Der kitzelt so schön in der Nase.“
Rose nippte an ihrem Glas und beobachtete peinlich berührt, wie Letty sich den Teller aufhäufte und tüchtig zulangte, als habe sie noch nicht zu Abend gegessen. Mr. Flynn hat eine gute Wahl getroffen, dachte Rose. Alles schmeckte ausgezeichnet, und die Kirschen und Erdbeeren waren süß und saftig.
Flynn saß neben ihr, und Rose spürte, dass ihr seine Nähe sehr bewusst war. Irgendwie war sie froh, seine Augen nicht sehen zu können, denn wenn sie ihm in die Augen sah, fiel ihr das Denken schwer.
Signor Rivoltas virtuose musikalische Darbietungen drangen bis zu den Arkaden herüber, doch seine fröhlichen Melodien auf verschiedenen Instrumenten vermochten die verkrampfte Stimmung in der kleinen Loge nicht aufzuheitern.
„Wann macht der Marquess unserer Rose einen Antrag?“, fragte Letty unverblümt.
Rose erstarrte. Sie schämte sich entsetzlich, dass Flynn sie mit dieser taktlosen Frau in Verbindung bringen musste.
Flynn zögerte kurz, bevor er die Antwort an ihren Vater richtete. „Von einem
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