Ballade der Liebe
seelenruhig. „Peitschen und Ketten und so was alles.“
Fassungslos starrte Rose Madame Bisou an. „Männer finden Vergnügen daran, Frauen auszupeitschen?“
„Nun ja, das kommt nicht häufig vor, trotzdem müsst ihr Mädchen aufpassen.“ Madame Bisou seufzte und fuhr beschwichtigend fort: „Die meisten Männer lassen sich leicht handhaben, wenn sie sich der Rolle des Verführers sicher sind, aber manche … manche finden es erregend, wenn sie einem Mädchen wehtun. Es erhöht ihre Wollust, anderen Schmerzen zuzufügen. Gewalttätige Perverse, n’est-ce pas? “
Rose bekam Gänsehaut bei dem Gedanken.
„Ein Franzose schrieb ein Buch darüber“, erklärte Madame Bisou weiter.
„Katy, pass bitte auf dich auf!“, beschwor Rose die Freundin.
„Mach dir um mich keine Sorgen“, entgegnete sie mit einer wegwerfenden Handbewegung, „ich weiß Bescheid.“
„Weiß man, wer Iris das angetan hat?“, fragte Rose die Madame.
„Iris sagt, er trug eine Maske“, antwortete sie achselzuckend und tätschelte Roses Hand. „Sei unbesorgt, Kindchen, solche Männer haben in meinem Spielsalon keinen Zutritt. Wenn mir etwas Derartiges über einen Kerl zu Ohren kommt oder einer es wagt, eines meiner Mädchen schlecht zu behandeln, wirft Cummings ihn in hohem Bogen hinaus.“
„Aber Katy geht nachts häufig aus. Und in Vauxhall tragen viele Männer Masken“, gab Rose besorgt zu bedenken.
Katy lachte. „Denkst du, ich erkenne eine Giftschlange nicht, wenn ich sie sehe?“
„Das ist manchmal nicht so einfach“, warnte Madame Bisou. „Man sieht es einem Mann nicht auf den ersten Blick an, ob er ein abartiger Lüstling ist.“ Sie stand auf. „Aber jetzt muss ich gehen.“ Sie schüttelte Rose die Hand. „Katy erzählte mir von deinem Marquess. Ich freue mich sehr für dich, Rose. Tannerton ist ein feiner Kerl.“
Sogar Madame Bisou sang sein Loblied.
Nachdem sie gegangen war, machte Katy es sich auf dem Sofa bequem. „Nun erzähl mir endlich von diesem Marquess. Ich halte es vor Neugier kaum noch aus.“
Unwillkürlich dachte Rose, dass Katy den Marquess als Gönner nötiger hätte als sie, egal, was ihr Vater über die Karriere einer Sängerin gesagt hatte. Wenn Katy nämlich genügend Geld hätte, könnte sie diesem gefährlichen Nachtleben den Rücken kehren.
„Also“, begann Rose, „in zwei Tagen treffe ich mich mit ihm. Er hat mich ins King’s Theatre eingeladen.“
„Ins Theater?“ Katy schien keineswegs beeindruckt zu sein.
„Das Beste daran ist, dass du mich begleiten wirst.“
„Ich?“ Katy war völlig verdattert.
„Ja. Ich bat darum, dass du mich begleitest.“
Die Freundin sah sie an, als habe sie den Verstand verloren. „Aber wieso denn?“
Rose zögerte. „Nun ja, ich wollte nicht allein sein. Mr. Flynn wird ebenfalls anwesend sein. Wenn du nicht kommst, wäre ich nur in Begleitung von zwei Herren.“
Katy lachte. „Was hast du dagegen, zwei Männer für dich zu haben? Wenn dein Marquess nur halb so gut aussieht wie dieser Mr. Flynn, wäre es doch himmlisch, einen ganzen Abend mit den beiden zu verbringen.“
Rose spürte, wie sich ihre Wangen erhitzten.
Katys Augen funkelten schelmisch. „Wieso lässt du dich nicht von Letty Dawes als Anstandsdame begleiten?“
Entsetzt verzog Rose das Gesicht. „Male den Teufel nicht an die Wand.“
Katy lachte. „Keine Sorge, ich begleite dich. Ich bin sehr gespannt auf diesen Marquess, der in dich vernarrt zu sein scheint. Ich wünschte, ich wäre so kühl wie du, Rose. Ich schaffe es nie, die Gleichgültige zu spielen, schon gar nicht, wenn ich merke, dass einer mir schöne Augen macht.“
Rose bedachte sie mit einem strengen Blick. „Hat Madame uns nicht immer wieder eingeschärft, zurückhaltend zu sein? Hast du das vergessen?“
„Genauso gut kannst du einem Tiger verbieten, ein gestreiftes Fell zu haben“, erwiderte Katy lachend, und Rose schmunzelte.
Am Abend des Opernbesuches begab Rose sich vorher zu Madame Bisou, die darauf bestanden hatte, dass ihre Zofe den jungen Mädchen die Haare hochsteckte. Beide trugen elegante Pariser Modellkleider, die Miss Hart ihnen geschenkt hatte. Katys grünes Seidenkleid brachte ihr rotes Haar vorteilhaft zur Geltung. Rose trug eine roséfarbene Seidentoilette, an Ausschnitt und Saum mit weißer Spitze besetzt. Die Zofe wand eine Perlenschnur in ihre Hochfrisur, und Madame Bisou borgte ihr ein Perlencollier und passende Ohrringe.
Als Rose und Katy sich in dem hohen Standspiegel
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