Ballade der Liebe
betrachteten, befand Rose, dass sie sehr vornehm wirkten. Sie wollte keinesfalls aussehen wie eine Hure, auch wenn alle Welt von ihr erwartete, eine zu werden, und Flynn ihr vorgeworfen hatte, ein leichtes Mädchen zu sein. Sie fand sich hübsch, aber nicht zu vergleichen mit Katy. Welcher Mann könnte deren atemberaubender Schönheit widerstehen? Es wäre ja möglich, dass der Marquess sein Interesse auf Katy verlagerte, und dann würde Flynn ihr, Rose, verzeihen.
Die ersten Gäste trafen bereits im Spielsalon ein, als die Karosse des Marquess vorfuhr, um die Damen abzuholen. Die Herren hielten Rose vermutlich für einen Neuzugang in dem Haus, das sich kaum von einem Bordell unterschied.
Rose schalt sich im Stillen. Sie musste sich daran gewöhnen, dass Männer in ihr eine Frau sahen, die ihre Gunst verkaufte. Darauf sollte man in der Theaterwelt gefasst sein, würde ihr Vater sagen. Sie bedachte Katy, deren freudige Erwartung auf den bevorstehenden Abend ihre Schönheit nur noch unterstrich, mit einem Seitenblick. Sie würde gewiss Eindruck auf den Marquess machen.
Bald kündigte der Diener an, ein Herr warte in der Halle auf die Damen.
„Dann macht euch mal auf den Weg, ihr Hübschen“, sagte Madame Bisou, die beinahe ebenso aufgeregt war wie Katy. „Ich wünsche euch viel Vergnügen und viel Glück.“
Sie drückte ihnen einen Kuss auf die Wange, und die jungen Damen schritten die Treppe hinunter. Einige Herren im Eingang zum Spielsalon schauten ihnen bewundernd hinterher und murmelten Schmeicheleien, die Rose die Schamröte in die Wangen trieb.
Sie ließ Katy absichtlich den Vortritt, um dem Marquess die Gelegenheit zu geben, einen ersten Blick auf sie werfen zu können.
„Na, wenn das nicht Mr. Flynn ist“, erklärte Katy, streckte auf halber Treppe den Arm aus und ließ sich von ihm die letzten Stufen herabhelfen. „Und der Marquess?“
Flynn hielt den Blick auf Rose gerichtet, die in einigem Abstand folgte. „Lord Tannerton erwartet uns im Theater.“ Und dann grüßte er knapp: „Guten Abend, Rose.“
„Flynn“, antwortete sie kühl und befürchtete, es würde nie wieder unbeschwerte Momente zwischen ihnen geben.
Er wandte sich an Katy. „Sie sehen entzückend aus. Es ist mir ein Vergnügen, Sie begleiten zu dürfen.“
Katy hakte sich bei ihm unter und schmiegte sich ungebührlich eng an ihn. „Dann wollen wir mal. Einen Marquess lässt man nicht warten.“
Flynn bot Rose, deren Finger leicht bebten, als sie die Hand an seinen Ärmel legte, den Arm.
Während der Fahrt plapperte Katy munter drauflos. Vielleicht richtet Flynn deshalb nicht das Wort an mich, dachte Rose bekümmert. Gelegentlich flocht er eine Bemerkung ein, und Katy fühlte sich ermuntert, weiter zu plappern. Dass er Katy so große Aufmerksamkeit schenkte, machte Rose nur noch beklommener.
Bald fuhr der Wagen am Theater vor. Während Flynn die Damen die breite Freitreppe hinaufführte, vergaß Rose alles um sich her, bemerkte auch nicht die bewundernden Blicke der Herren. Sie bestaunte andächtig das prachtvolle Theaterfoyer mit den Marmorsäulen und vergoldeten Stuckdecken. Flynn führte sie die mit rotem Teppich belegte, geschwungene Marmortreppe hinauf, einen breiten Flur entlang, vorbei an vergoldeten Türen, die zu den Logen führten. An einer dieser Türen klopfte er und drehte den Knauf.
Katy zappelte vor Aufregung, während Rose sich beherrschte und der Freundin auch jetzt den Vortritt in die halbdunkle Loge ließ, wo der Schatten einer Männergestalt zu erkennen war.
Der Schatten ergriff das Wort. „Guten Abend. Sie müssen Miss Green sein.“
„Ganz recht, Sir. Und Sie sind Lord Tannerton, nehme ich an.“
„Ja, der bin ich.“
Als ihre Augen sich an das dämmrige Licht gewöhnt hatten, erkannte Rose in dem Marquess den hochgewachsenen jungen Mann, der an jenem ersten Abend in Vauxhall neben Flynn gestanden hatte, ein gut aussehender Herr von lässiger Eleganz mit einem gewinnenden Lächeln.
„Sie sind mir schon in Vauxhall aufgefallen“, sagte Katy und fasste Roses Gedanken in Worte.
Der Marquess lächelte. „Sie sind mir auch aufgefallen, Miss Green. Wem würde eine schöne Frau wie Sie nicht auffallen?“
Katy lachte, diesmal allerdings weniger schrill. „Vielen Dank. Aber Sie wollen gewiss Miss O’Keefe begrüßen.“
Sie trat einen Schritt beiseite, und der Marquess richtete den Blick auf Rose. „Miss O’Keefe, ich bin entzückt, dass Sie meine Einladung angenommen haben.“
Flynn
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