Ballade der Liebe
Hut auf und streifte die Handschuhe über. Als sie wieder ins Wohnzimmer kam, schwärmte Letty ihrem Vater vor, wo sie wohnen würden, sobald sie das Geld des Marquess in den Fingern hätten.
„Henrietta Street wäre eine gute Adresse“, sagte Letty. „Ein richtiges Haus, nicht nur drei schäbige Zimmer …“
„Ich gehe aus, Papa“, unterbrach Rose.
Ihr Vater blickte auf. „Sei ein braves Mädchen, Mary Rose. Und pass auf dich auf.“
„Hör auf deinen Vater“, meinte Letty lachend. „Wir brauchen dich unversehrt.“
Rose verließ das Haus und ging die Straße entlang in Richtung Covent Garden, wo sie eine Mietdroschke zu finden hoffte. Es war ein trüber Tag, bald würde es regnen.
Spontan hatte sie den Entschluss gefasst, Katy zu besuchen; die Freundin wohnte mittlerweile bei Madame Bisou, die in ihrem Haus einen Spielsalon unterhielt. Nachdem Miss Hart ihren Mr. Sloane geheiratet hatte und ein bürgerliches Leben führte, hatte Madame Bisou Katy bei sich aufgenommen. Die anderen Mädchen hatten sich gleichfalls für die Liebe entschieden, während Rose sich nach Erfolg sehnte, mehr als alles andere auf der Welt.
Sie bestieg eine Droschke und nannte die Adresse. „Bennet Street, bitte.“
An der Kreuzung Jermyn Street und Bennet Street stieg sie aus, ging das letzte Stück der stillen Straße zu Fuß und klopfte an die Tür eines unscheinbaren, aber gepflegten Hauses. Ein Hüne von einem Diener öffnete.
„Guten Tag“, grüßte Rose höflich. „Ich möchte Miss Green besuchen. Melden Sie ihr bitte Miss O’Keefe.“
Der Hüne rieb sich die Nase. „Miss Green?“ Dann begriff er. „Ach so, Katy. Augenblick bitte.“ Nach einem Moment war er wieder da. „Folgen Sie mir.“
Er führte sie in einen Salon im ersten Stock. Katy und Madame Bisou sprangen bei ihrem Eintreten auf.
„Rose! Wie schön, dich zu sehen.“ Madame küsste Rose auf beide Wangen. „Seit Katy bei mir eingezogen ist, hast du sie noch nicht besucht.“
„Verzeihen Sie, Madame“, entschuldigte sie sich, und ihr wurde erst jetzt wirklich bewusst, wie sehr sie die herzensgute Frau mit ihrem falschen französischen Akzent vermisst hatte. Die Mädchen hatten rasch herausgefunden, dass Madame Bisou keine Französin war, und auch deren feuerrote Lockenpracht war nicht echt.
Aber ihre üppigen Brüste, die sie in ein enges Mieder zwängte, damit ihr Busenansatz prall aus dem tiefen Ausschnitt quoll, waren echt. Und ihr gutmütiges, großzügiges Wesen war gleichfalls nicht aufgesetzt. Rose erwiderte ihre Umarmung herzlich.
Dann fielen Katy und Rose sich in die Arme.„Wer hätte gedacht, dass du mich besuchst? Der neue strahlende Stern am Himmel von Vauxhall begibt sich in die Niederungen einer Spielhölle.“
Madame Bisou verließ das Zimmer, um sich um Tee und Gebäck zu kümmern, und Katy zog Rose zu einem Sofa.
„Was führt dich zu mir?“, fragte sie. „Hast du den Marquess kennengelernt? Willst du mir von ihm erzählen?“
„Noch nicht direkt“, antwortete Rose. „Aber bald sehe ich ihn.“
„Ich wusste es!“, rief Katy begeistert.
Madame Bisou kam zurück. „Cummings bringt den Tee in ein paar Minuten, aber ich kann nicht bleiben, Rose. Ich muss nach Iris sehen.“
„Iris wurde gestern Nacht schwer verletzt“, erklärte Katy ihrer Freundin.
Rose kannte das Mädchen nicht. „Das tut mir leid. Was ist passiert?“
„Sie begleitete mich nach Vauxhall“, berichtete Katy seufzend. „Und als Sir Reginald auftauchte, ließ ich sie mit ein paar Herren allein.“
„Es ist nicht deine Schuld, Katy“, versuchte Madame Bisou, sie zu trösten. „So etwas kann passieren.“
„Was denn?“, fragte Rose beunruhigt.
Katys Augen funkelten. „Sie ging mit einem Mann, den sie für einen Gentleman hielt. Er war vornehm gekleidet und hatte ausgezeichnete Manieren. Aber später fesselte er sie und schlug sie mit der Peitsche …“
„Mit einer Peitsche?“, rief Rose entsetzt.
Madame Bisou verschränkte die Arme vor ihrem üppigen Busen und drückte die Rundungen noch mehr aus dem Dekolleté. „Ich hätte euch Mädchen vor solchen Kerlen warnen müssen, aber wie denn?“
„Vor welchen Kerlen?“, fragte Rose verständnislos.
Madame Bisou setzte sich. „Es gibt Männer, die ihre Lust nicht in der üblichen Weise stillen.“ Sie machte eine Pause. „Manche werden erregt, wenn sie Frauen Schmerzen zufügen.“
Rose sah Katy entgeistert an. „Schmerzen?“
„Ja, ich weiß schon“, meinte Katy
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