Ballade der Liebe
Rose sich gegen den Türrahmen, schlang die Arme um sich und schloss die Augen. Seine Worte hatten sie tief verletzt, aber im Grunde genommen hatte er recht. Sie hatte sich lüstern benommen.
Sie ging zurück in die Wohnung, eilte zum Fenster und beobachtete, wie er im Laufschritt das Haus verließ, als werde er von Raubtieren gehetzt.
Traurig lehnte sie die Stirn gegen die kühle Fensterscheibe und schloss die Augen.
Ohne Rose O’Keefes Gesangseinlagen war Vauxhall nicht annähernd so unterhaltsam. Greythorne verzog das Gesicht, und als Charles Dignum zu singen begann, verließ er die Rotunde und schlenderte den Kiesweg entlang. Aus den Augenwinkeln nahm er eine der vielen attraktiven Besucherinnen des Vergnügungsparks wahr – eine Frau mit flammend roten Haaren, die lachend am Arm dieses alten Narren Sir Reginald hing, den sie durch die Menge der Nachtschwärmer bugsierte.
Greythorne zog den Atem scharf ein. Dieses Lachen jagte ihm ein Prickeln über den Rücken.
Unstet ließ er den Blick durch die Menge schweifen. Er wollte eine Frau. Er brauchte eine Frau. Es war eine Weile her, seit er sich mit einer Gespielin in seinem Tempel der Lüste vergnügt hatte. Es reizte ihn, eine andere Blume zu pflücken, während er darauf wartete, die scheue Rose diesem … diesem … Schürzenjäger Tannerton wegzuschnappen.
Das Blut begann ihm in den Adern zu rauschen. Er würde Rose O’Keefe gewinnen und ihr zeigen, welche Wonnen ihn ergötzten, und wenn er sie erst in seiner Gewalt hatte, würde sie Tannertons Werben rasch vergessen.
Greythorne betupfte sich die feuchte Stirn. Im Grunde konnte er froh sein, dass die kühle Amanda ihn verschmäht hatte. Sie hatte sich die Gelegenheit entgehen lassen, seine besonderen Talente und Vorzüge kennenzulernen. Nach der Enttäuschung mit dieser Eiskönigin hatte er mit neuen Formen des Rausches experimentiert und ungeahnte Gipfel des Deliriums erklommen, die dem Abgrund gefährlich nahe waren.
Er musste vorsichtiger sein. Es gab einige Opfer, denen er seinen Stempel eingebrannt hatte und die seine Spiele an die Öffentlichkeit tragen könnten. Er nahm sich vor, Maßnahmen zu treffen, um diese Gefahr auszuschließen, und rieb sich zufrieden die Hände. Je verborgener seine verbotenen Spiele, desto mehr durfte er riskieren. In der Verschwiegenheit der Anonymität gab es keine Grenzen.
Greythorne lächelte dünn und malte sich aus, wie der Rothaarigen das Lachen im Hals stecken blieb, ihr die Augen aus den Höhlen quollen, sie den Mund aufriss und ihre Schreie von den kahlen Wänden widerhallten.
Er holte die Maske aus der Tasche und setzte sie auf, die Maske, die ihn schützte, die ihm alle Freiheiten gewährte. Mochte die Rothaarige auch in dieser Nacht vergeben sein, es gab noch andere Blumen zu pflücken.
Und Greythorne liebte es, Blumen zu pflücken.
6. KAPITEL
Am nächsten Nachmittag wollte O’Keefe seiner Tochter Flynns Billett aushändigen. „Mary Rose, eine Nachricht vom Sekretär des Marquess.“
Letty, die den funkelnden Smaragdring an ihrem plumpen Finger bewunderte, eilte an seine Seite. „Was schreibt er?“, wollte sie wissen und riss ihm das Billett aus der Hand, trat damit ans Fenster und las. „Er will sich mit ihr treffen! In zwei Tagen.“ Sie warf die Nachricht auf den Tisch. „Na bitte, wusste ich es doch.“
Rose nahm den Brief zur Hand und las. Lord Tannerton lud sie zu einem gemeinsamen Opernbesuch ins King’s Theatre ein. Don Giovanni von Mozart. Sie drückte die Notiz an ihr klopfendes Herz. Dieses heiß ersehnte Erlebnis hatte sie Flynn zu verdanken. Eine echte Oper mit berühmten Sängern auf der schönsten Bühne der Welt! Darüber könnte sie beinahe vergessen, dass er sie abgewiesen und beschuldigt hatte, sie benehme sich wie eine Dirne. Und sie könnte beinahe vergessen, dass sie den Mann kennenlernen sollte, der sie zu seiner Hure machen wollte.
Letty riss ihr den Brief aus der Hand. „Ich muss das noch mal lesen.“ Sie bewegte lautlos die Lippen, während sie las. „Hier steht, dass Miss Green dich begleiten soll.“
„Ich bat Mr. Flynn, sie einzuladen. Ich habe sie in Miss Harts Haus kennengelernt.“ Rose hatte ihrem Vater nie viel über ihre Zeit bei Miss Hart erzählt, und Letty brauchte darüber erst recht nichts zu wissen.
„Wo triffst du dich mit dem Marquess?“ Ihr Vater trank einen Schluck Gin.
„Sie wird es vermasseln, die dumme Gans“, brummte Letty mürrisch, goss sich selbst ein Glas ein und trank es in
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