Ballade der Liebe
nur um Tanner auf die Folter zu spannen.
„Ich habe herausgefunden …“, begann er endlich, legte wieder eine Pause ein und grinste, „… dass dein Freund in einigen Bordellen der Stadt kein gern gesehener Gast ist.“
„Ist das alles?“, fragte Tanner enttäuscht.
Pomroy tippte sich mit dem Finger an die Stirn. „Denk doch mal nach. Warum findet dieser Mann keinen Einlass in einem Freudenhaus?“
„Weil er nicht bezahlt?“, schlug Tanner vor. „Weil er ungewaschen ist und stinkt?“
Pomroy schüttelte den Kopf. „Er wurde wegen seiner Brutalität hinausgeworfen. Er quält Frauen.“
Tanner dachte an Greythornes funkelnde Augen beim Anblick des Blutes an seiner Wange und furchte die Stirn. „Jetzt erinnere ich mich. Morbery ging mit ihm zur Schule. Er erzählte mir einmal, dass Greythorne die Bücher des Marquis de Sade herumreichte und damit prahlte, auch er wende die darin geschilderten Praktiken an.“ Tanner sprang auf. „Dieser perverse Dreckskerl. Ich muss gehen, Pomroy. Das Schwein will heute Abend mit ihr soupieren.“ Er kramte ein paar Münzen aus der Tasche und warf sie auf den Tisch. Doch dann ließ er sich wieder auf den Stuhl fallen. „Verdammter Mist! Ich bin heute Abend vergeben. Wieder einmal Clarence.“
„Schick doch deinen ach so zuverlässigen Flynn als Aufpasser hin“, schlug Pomroy gedehnt vor.
Der Regen hatte nachgelassen, und es nieselte nur noch an diesem nebelig trüben Abend. Flynn suchte unter dem Blätterdach eines Baumes seitlich an der Rotunde Zuflucht. Außer ihm gab es noch ein paar unerschrockene Bewunderer, die trotz des schlechten Wetters nach Vauxhall gekommen waren, um Rose singen zu hören. Greythorne hatte er allerdings noch nicht unter den Zuschauern entdeckt.
Flynn hatte mit großer Sorge vernommen, was Tanner über Greythorne berichtete. Der Kerl war also ein Anhänger der erotischen Perversitäten des Marquis de Sade, der einmal geschrieben hatte: „Der einzige Weg zum Herzen einer Frau führt über die Folter“. Auch Flynn hatte seine Romane gelesen. Die Bücher des französischen Schriftstellers de Sade waren in Oxford populärer Lesestoff gewesen. Flynn hatte die verbotenen Schriften ebenso gierig verschlungen wie seine Mitstudenten. De Sade war ein brillanter Geist mit einer verruchten Seele. Sollte Greythorne die Absicht haben, seine abartigen Gelüste an Rose auszuleben, würde Flynn ihn daran hindern – ganz egal, was er tun musste, um dem Unhold das Handwerk zu legen.
Während er ihrem Gesang lauschte, stellte Flynn fest, dass sich etwas an ihrem Vortrag verändert hatte. Sie sang weniger gefühlsbetont, weniger hingebungsvoll, doch vielleicht lag es am Regen oder an dem bevorstehenden Treffen mit Greythorne oder an der Anstrengung der gestrigen Gesangsstunde. Flynn spürte nur, wie sie versuchte, das Gelernte umzusetzen. Sie bemühte sich, richtig zu atmen, um die höchsten Töne zu erreichen, aber sie wirkte irgendwie gehemmt, als fürchte sie, getadelt zu werden.
Er vermisste die Unbefangenheit, die ihre Stimme so klar und rein klingen ließ, hatte aber Verständnis für ihren Eifer, Fortschritte zu machen. Er war von ähnlichem Ehrgeiz beseelt. Beide fieberten hochgesteckten Zielen entgegen, und ein Fehler wurde von beiden als völliges Versagen gewertet.
Flynn war sich Tanners Bereitschaft sicher, durch ihn, seinen Sekretär, sämtliche Türen für Rose zu öffnen. Der Marquess hatte die Macht und die nötigen Mittel, ihre Träume zu erfüllen.
Nachdem das letzte Lied verklungen war und Rose sich vor ihrem Publikum verneigt hatte, ging der Applaus beinahe im heftig einsetzenden Regen unter. Die Tropfen klatschten auf die Blätter und verzischten auf den Metallgehäusen der Gaslampen. Flynn eilte zum Bühneneingang, wo sich bereits eine kleine Schar Bewunderer eingefunden hatte.
Er klopfte, nannte seinen Namen und reichte dem Diener seine Karte. Als er eingelassen wurde, hörte er einen weniger glücklichen Verehrer hinter sich knurren: „Wieso darf der zu ihr?“
Der Diener ließ Flynn im Vorraum warten, und kurz darauf eilte Rose direkt in seine Arme.
„Oh, Flynn! Ich hoffte so sehr, dass Sie kommen!“
Sie klammerte sich an ihn, barg ihr Gesicht im feuchten Stoff seines Mantels, und ihm blieb nichts anderes übrig, als sie in den Armen zu halten. Als Rose sich endlich von ihm löste, glitzerten Tränen in ihren Augen.
„Wann hat Greythorne sich angesagt?“, fragte er.
Erstaunt sah sie ihn an. „Sie wussten
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