Ballade der Liebe
Herz.
Die Zuschauer applaudierten und schlossen erneut Wetten auf den Sieger ab. Greythorne wirkte verdutzt.
Die Kämpfer nahmen die Grundstellung wieder ein. Diesmal griff Tanner an. Seine Stöße folgten rasant hintereinander, dann verzögerte er, führte Finten aus, bis Greythorne aus dem Konzept kam und Fehler machte. Tanner trieb den Earl immer wieder in die Defensive und landete bei jedem Angriff einen Treffer an Körperpartien, die ohne die stumpfe Abdeckung der Degenspitze tödlich gewesen wären. Auf diese Weise gelangen ihm drei weitere Treffer.
Nun stand es vier zu drei für Tanner. Die Gegner kämpften verbissen in der Endphase unter den aufgeregter und lauter werdenden Zurufen der Zuschauer. Flirrend zerschnitten die Klingen die Luft, klirrten gegeneinander und schufen eine Musik, die in Tanners Ohren lieblicher klang als die Opernarien im King’s Theatre oder gar die Gesangsdarbietungen in Lady Rawleys Musiksalon. Er genoss den Kampf mit großem Vergnügen. Das Durchschauen der gegnerischen Strategie, die listigen Finten, die Stöße und Paraden, das aufgeregte Raunen der Zuschauer, die Gefahr, die körperliche Anstrengung, die seine Kräfte bis zum Äußersten forderten, das alles machte ihm einen Heidenspaß.
Greythorne und Tanner verfolgten sich gegenseitig auf der Fechtbahn vor und zurück. Die Zurufe aus dem Publikum wurden mit jedem Ausfall aufgeregter, Greythornes Attacken immer verwegener. Auf seinen Gesichtszügen stand bereits das Lächeln des Siegers. Er schnellte nach vorne.
Tanner wich mit einer Körperdrehung aus, parierte den Stoß seitlich von hinten, wirbelte herum, zwang Greythornes Klinge hoch in die Luft und brachte ihn damit aus dem Gleichgewicht. Tanner vollendete die Drehung, stieß seine Klinge nach unten und drückte die Spitze gegen Greythornes Lendenbereich. Der völlig verdatterte Earl taumelte und stürzte rückwärts auf die Fechtbahn.
„Das macht fünf. Fünf Treffer!“, rief einer der Zuschauer.
Tanner verstärkte den Druck der stumpfen Degenspitze auf Greythornes rehbraune, knapp sitzende Hose, bis der feine Wollstoff riss.
„Sie haben mir die Hose zerrissen!“, keuchte Greythorne, außer sich vor Zorn.
Tanner schnipste die Klinge ein wenig nach oben, und der Riss vergrößerte sich. „Was sagten Sie?“
Wütend schob Greythorne den Degen mit dem Handrücken beiseite und richtete sich zum Sitzen auf, ohne Tanner anzusehen.
„Und Ihre Fortschritte?“, fragte Tanner leutselig.
Mühsam kam Greythorne auf die Füße. „Ich diniere heute Abend mit ihr in Vauxhall.“
Die Zuschauer hatten das Interesse verloren an dem Dialog, beglichen ihre Wettschulden und gingen ihrer Wege. Ein paar Nachzügler klopften Tanner auf die Schulter – offenkundig die Gewinner. Nur Pomroy wartete, bis sein Freund sich angezogen und bei Angelo bedankt hatte, und begleitete ihn zum Ausgang. Greythorne war direkt vor ihnen.
Draußen schüttete es wie aus Kübeln.
„Zu dumm. Mein Gehrock wird ruiniert!“, knurrte Greythorne und blieb unter der Tür stehen.
Tanner und Pomroy traten lachend in den strömenden Regen. „Blasierter Lackaffe“, knurrte Pomroy.
Die Freunde hatten es eilig, die nächste Taverne aufzusuchen, in der bereits andere Passanten Schutz vor dem Unwetter suchten, darunter auch Zuschauer des Fechtkampfes. Tanner nahm gut gelaunt die Glückwünsche entgegen und drängte sich mit Pomroy an den Gästen vorbei zu einem kleinen Tisch im Hintergrund.
Nachdem sie sich gesetzt und ein Bier bestellt hatten, fragte Pomroy: „Was, zum Teufel, hatte das bitte zu bedeuten?“
Tanner feixte. „Nun ja, ich wollte eigentlich nur herausfinden, welchen Schritt das Ekel als Nächsten in seiner Werbung um Miss O’Keefe plant.“
„Wegen dieser Lappalie schlägst du dich mit dem Kerl?“ Pomroy deutete auf die blutverkrustete Blessur an Tanners Wange. „Hätte es keine einfachere Lösung gegeben, um an diese Information zu kommen?“
„Und mir den Spaß entgehen zu lassen?“ Tanner tastete mit dem Finger nach der Wunde.
Eine überforderte Schankmagd brachte zwei Krüge mit Bier, und Tanner trank durstig.
„Ich habe etwas über deinen Lackaffen herausgefunden“, verkündete Pomroy.
Der Marquess setzte den Krug ab und beugte sich vor. „Sprich schon, Mann.“
Sein Freund nahm zuerst einen tiefen Schluck, während Tanner ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch trommelte und wartete. Pomroy stellte den Krug bedächtig ab und wischte sich den Schaum vom Mund,
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