Ballade der Liebe
irgendwie logisch. Und letztlich waren es genau diese Argumente, mit der er seine Verhandlungen mit Tanners Mätressen stets beschönigt hatte.
Flynn nahm einen kräftigen Schluck Bier und bemühte sich, diese ungeheuerliche Information zu verdauen. Er hatte sich nur flüchtig der Illusion hingegeben, Rose sei noch unberührt, da sie allzu häufig Andeutungen über ihre Vergangenheit gemacht hatte. Wenn sie allerdings das Leben einer Kurtisane so erstrebenswert fand, wieso zögerte sie dann, Tanners großzügiges Angebot anzunehmen? Der Marquess war doch der Traum jeder käuflichen Frau.
Eindringlich sah Flynn Katy an. „Wieso wohnt Rose nicht hier in diesem Haus? Wieso lebt sie bei ihrem Vater?“
Katy breitete die Arme aus. „Warum fragen Sie mich das? Ich habe keine Ahnung. Genauso gut könnten Sie mich fragen, warum die anderen Mädchen es vorzogen zu heiraten. Besonders Mary, die durchgebrannt ist mit diesem Dummkopf Du… Ich meine, wir wurden immer wieder davor gewarnt, zu heiraten. Wieso soll eine Frau sich an einen Mann binden, der ihr alles Geld wegnimmt und es mit einer Mätresse verprasst? Da stehe ich doch lieber auf der anderen Seite.“
Bedauerlicherweise eine allzu wahre Einsicht, dachte Flynn.
Beide schwiegen lange, bevor Katy wieder redete: „Wenn ich mich recht entsinne, versöhnte Katy sich mit ihrem Vater bei einem gemeinsamen Besuch in Vauxhall. Danach ließ Mr. Hook sie vorsingen. Ich glaube, der alte Mann überredete sie, wieder bei ihm zu wohnen. Hätte Rose mich nach meiner Meinung dazu gefragt, hätte ich sie eine dumme Gans genannt.“
Nachdem sie gegessen hatten, rückte Flynn seinen Stuhl näher an Roses Bett, richtete sie, auf seinen Arm gestützt, auf und flößte ihr wieder schluckweise Wasser ein. Sie schlug die Augen auf und lächelte.
„Flynn“, hauchte sie, trank und leckte sich die Tropfen von den Lippen. Er stellte das Glas auf den Nachttisch zurück, legte sie sanft ins Kissen und deckte sie zu. Die Lider wurden ihr schwer, und bald war sie wieder eingeschlafen.
Er stand auf und bemerkte, wie Katy ihn wehmütig beobachtete.
Rose wollte aufwachen, um die verstörenden Träume von dunklen Schatten und finsteren Gestalten zu verjagen.
Sie zwang sich, die Augen zu öffnen, obgleich das helle Licht vom Fenster her blendete. Sie blinzelte. Die Umgebung war ihr fremd. Alarmiert setzte sie sich auf.
Flynn erhob sich von einem Stuhl neben dem Bett. „Keine Sorge, Rose. Sie sind in Sicherheit.“
„Flynn!“ Erleichtert streckte sie ihm die Hände entgegen, und er nahm Rose in die Arme. Erst jetzt fühlte sie sich geborgen.
Schließlich löste er sich von ihr und wies zum Tisch in der Mitte des Zimmers. Katy hatte die Arme auf die Tischplatte gelegt und schlief tief und fest.
„Ich habe Sie zu Madame Bisou gebracht“, erklärte er. „Mir ist nichts Besseres eingefallen.“
„Greythorne?“, krächzte sie heiser.
„Ich bin sicher, er weiß nicht, wo Sie sind.“ Zärtlich strich er ihr das Haar aus der Stirn.
Ihre Erinnerung war verschwommen. Das schummrige Separee im Wandelgang; Greythorne, der sie um einen Tanz bat. Sie hatte sich schwindelig und benommen gefühlt, dann war alles schwarz um sie herum, und später hatte sie sich verbissen gewehrt.
„Sie haben mich gerettet.“ Rose entsann sich des maskierten Gesichts, das sie als das Seine erkannt hatte.
Der warme Ausdruck seiner Augen bestätigte ihre Vermutung. „Greythorne weiß nicht, wer Sie rettete, möglicherweise hat er aber einen Verdacht. Wir müssen uns genau überlegen, was wir tun. Doch das kann warten. Wie fühlen Sie sich?“
Rose nahm seine Hand und hielt sie fest. „Ich habe Kopfschmerzen.“ Sie sah ihn forschend an. Bartstoppeln verdunkelten Wangen und Kinn; er war in Hemdsärmeln, hatte die Krawatte gelockert und die Weste aufgeknöpft.
Vorsichtig setzte er sich zu ihr ans Bett und hielt ihre Hand. Erst jetzt stellte Rose fest, dass sie nur ihr Unterhemd trug. Eigentlich hätte sie sich schämen müssen, sich einem Mann beinahe unbekleidet zu präsentieren, doch es störte sie nicht.
Sie blickte zu Katy hinüber. „Ist sie auch die ganze Nacht geblieben?“
Flynn nickte.
„Fühlt sie sich denn besser?“
Er wirkte verdutzt. „Ja, sie scheint wohlauf zu sein.“
Rose versuchte, die wirren Gedanken in ihrem Kopf zu klären. „Hat Greythorne mir ein Betäubungsmittel in den Wein getan?“
„Vermutlich Laudanum“, bestätigte Flynn.
„Ich bin durstig.“
Er ließ ihre
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