Ballade der Liebe
das Gefühl, kaum noch atmen zu können, was allerdings nichts damit zu tun hatte, dass Katy ihr das Korsett zu eng schnürte. Bald würde Flynn sich gewiss einer anderen Frau zuwenden. Und wieso nicht Katy, die heitere, lebenslustige, warmherzige Katy?
„Interessierst du dich für Flynn, Katy?“ Rose bemühte sich, gelassen zu klingen, trotzdem bebte ihre Stimme ein wenig.
Katy lachte und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Mich interessiert jeder Mann, solange er Geld hat.“
Das war keine besonders beruhigende Antwort.
Geschickt half Katy der Freundin ins Kleid, bürstete ihr Haar und band es zu einem Knoten, den sie ihr im Nacken feststeckte. Kurz darauf betraten sie das Esszimmer, wo der frisch rasierte Flynn bereits neben Madame Bisou Platz genommen hatte.
Madame sprang auf und eilte Rose entgegen. „Wie fühlst du dich, ma petite ? Du hast uns einen tüchtigen Schrecken eingejagt.“
„Ganz gut, nur noch ein wenig zittrig, Madame.“
Beflissen rückte Flynn ihr einen Stuhl zurecht. „Ich mache Ihnen einen Teller fertig. Worauf haben Sie Appetit?“
„Etwas Toast und Marmelade vielleicht.“
Flynn brachte ihr das Gewünschte, und Madame Bisou schenkte Tee ein. Es wurde kaum gesprochen beim Frühstück, und Rose knabberte lustlos an einer Scheibe Toast und versuchte, den Anflug von Übelkeit zu unterdrücken.
Schließlich ergriff Flynn das Wort. „Wir müssen beraten, was als Nächstes zu tun ist. Ich möchte Sie eigentlich nicht zu Ihrem Vater bringen, muss ich gestehen.“
„Niemals. Auf keinen Fall darf sie dorthin zurück!“, rief Madame Bisou entrüstet.
„Aber Papa macht sich gewiss Sorgen um mich“, gab Rose zu bedenken.
„Mr. Flynn wird ihn davon unterrichten, dass du dich an einem sicheren Ort aufhältst.“ Madame ergriff ihre Hand und drückte sie zuversichtlich. „Du wirst vorerst hierbleiben, Rose, mein liebes Kind.“
Flynn nickte zustimmend.
„Ich … vielen Dank, Madame“, erwiderte Rose gerührt. Sie suchte Flynns Blick, der sie unverwandt ansah.
„Ich verhandle mit Ihrem Vater, und er wird Lord Tannertons Angebot annehmen. Vertrauen Sie mir, Rose. Wir werden Sie beschützen.“
Mit Tannertons Einfluss und Flynns energischer Tatkraft würde sich alles zum Guten wenden, daran hatte Rose keinen Zweifel.
14. KAPITEL
Flynn betrat das Stadthaus in der Audley Street, als der Marquess gerade die Treppe herunterkam.
„Wo, zum Teufel, sind Sie gewesen?“ Von Tanners gewöhnlich heiterem Tonfall war nichts zu erkennen.
Flynn warf einen flüchtigen Blick zu dem Diener hinüber, der sich in der Eingangshalle zu schaffen machte und sich vergeblich bemühte, den Anschein zu erwecken, er höre nicht zu. „Ich gebe Ihnen einen vollständigen Bericht, wenn Sie einen Moment Zeit haben. In der Bibliothek?“
Energischen Schrittes eilte Tanner voraus und wandte sich seinem Sekretär zu, als dieser die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Meine Männer meldeten, Sie hätten sie in Vauxhall weggeschickt und anschließend Miss O’Keefe in eine Droschke gesetzt.“
„Genauso war es. Wiggins und Smythe berichteten Ihnen gewiss auch von ihrer Rettung. Greythorne hat ihr ein Betäugungsmittel in den Wein geträufelt. Ich brachte sie zu Madame Bisou und blieb, bis ich Gewissheit hatte, dass sie sich erholen würde. Das hielt ich für sinnvoller, als sie zu ihrem Vater zu bringen.“ Flynn spürte Gewissensbisse. Sein Handeln war keineswegs von solch hochherzigen Überlegungen geleitet gewesen, wie seine Schilderung dies vermuten ließ.
Tanner bedachte ihn mit einem kühlen Blick. „Wäre es nicht Ihre Pflicht gewesen, mich von dem Geschehen noch in der Nacht zu unterrichten?“
Flynn spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. „Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nicht daran gedacht habe.“ All seine Gedanken waren einzig und allein bei Rose gewesen.
Der Marquess machte eine wegwerfende Handbewegung. „Es ist nicht von Bedeutung. Sie ist wohlauf, wie ich hoffe.“
„Ja. Sie hat sich wieder erholt.“
Müde sank Tanner in den nächsten Sessel. „Ich war die halbe Nacht auf, weil ich befürchtete, Greythorne habe Ihnen etwas angetan. Schließlich schickte ich einen Diener zu seinem Haus, aber er konnte nichts Verdächtiges entdecken.“
„Greythorne machte sich mehr Sorgen um seine beschmutzte Kleidung als darum, unsere Verfolgung aufzunehmen.“
Tanner feixte spöttisch. „Den Eindruck hatte auch Wiggins. Er sagte: ‚Der Kerl fluchte
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