Ballade der Liebe
dahintersteckt.“
„Wer sonst?“, entgegnete Flynn.
„Ja, wer sonst.“ Tanner nahm das Glas Brandy in die Hand und entfernte sich vom Schreibtisch. „Ich habe seine Gefährlichkeit unterschätzt.“ Er durchquerte den Raum und blieb vor den Polstersesseln am Kamin stehen, ohne sich zu setzen. „Wieso aber hat Seine Königliche Hoheit mich nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass Greythorne aus Brighton abgereist ist?“
Flynn zuckte die Achseln. Er wusste, dass Tanner keine Antwort erwartete. „Offenbar hat der Kerl seine Drohung gegen O’Keefe und Miss Dawes wahr gemacht.“
Wütend schloss Tanner die Hand zur Faust. „Ich finde es höchst ärgerlich, einen Gegner zu unterschätzen.“
„Madame Bisous Diener werden Miss O’Keefe bewachen.“
Tanner stutzte. „Ja, sehr gut. Sie ist gewiss in Gefahr. Wie geht es ihr übrigens?“
Flynn dachte an ihre vor Angst geweiteten Augen und ihre stoische Behauptung, es fehle ihr nichts. „Sie hat mehr Angst, als sie eingestehen will.“
Der Marquess nickte.„Ich schicke Wiggins und Smythe zur Verstärkung in Madame Bisous Haus. Und wir legen dieses abscheuliche Geschenk dem Friedensrichter vor.“
„Ganz Ihrer Meinung. Wir sollten ihn auch von Greythornes Drohung unterrichten.“ Flynn scheute davor zurück, Roses Namen zu nennen. Die Zeitungen stürzten sich auf derlei Sensationsmeldungen. „Ich schlage vor, wir legen dem Richter die Beweismittel vor. Da wir Roses Namen nicht verschweigen können, könnten wir sagen, dass sie viele Bewunderer hat, darunter auch Greythorne.“ Flynn holte die Visitenkarten aus seiner Tasche, die Rose nach ihrem heutigen Auftritt erhalten hatte. „Ich erstelle eine Liste dieser Männer und füge Greythornes Namen bei.“
Nachdenklich rieb Tanner sich das Kinn. „Es wäre vielleicht ratsam, meinen Namen nicht zu erwähnen, Flynn. Ein Marquess, der in schmutzige Affären verwickelt ist, wirbelt Staub auf, und die Klatschbasen zerreißen sich die Mäuler.“ Er überlegte lange. „Ich habe eine Idee. Wir sagen dem Richter einfach, Sie sind einer von Miss O’Keefes Verehrern, nicht ich. Sie wurden ohnehin öfter mit ihr gesehen als ich.“
Flynn konnte keinen Einwand gegen diesen Vorschlag erheben, da er der Wahrheit näherkam, als er sich oder seinem Dienstherrn eingestanden hätte.
Tanner fuhr fort: „Ich wende mich an die Bow Street Runners und bitte sie um Unterstützung, Greythorne ausfindig zu machen. Diese Männer haben das Geschick und die nötigen Kontakte, um zu beweisen, dass Greythorne hinter diesem teuflischen Anschlag steckt.“ Er redete sich mit jedem Wort in größere Rage. „Sie erklären Miss O’Keefe, dass ich in den nächsten Tagen nicht viel Zeit für sie haben werde.“
Das bedeutete, dass Flynn mehr Zeit mit ihr verbringen durfte. Er wagte gar nicht, daran zu denken. „Was ist mit dem neuen Haus? In drei Tagen soll sie einziehen.“
Tanner zuckte die Achseln. „Wenn sie wünscht, soll sie einziehen. Ich sehe keinen Grund, ihr die Annehmlichkeiten eines eigenen Hauses vorzuenthalten. Im Übrigen kann ich sie dort auf diskretere Weise besuchen als bei Madame Bisou. Im eigenen Haus ist es vermutlich auch leichter, sie zu bewachen.“
Er kann sie besuchen. Flynn wusste, was das bedeutete. Er schenkte sich einen ordentlichen Schluck Brandy nach.
Tanner beobachtete, wie er trank. „Ich habe sie in Gefahr gebracht“, sagte er düster. „Ich bin schuld am Tod ihres Vaters und seiner Lebensgefährtin.“ Er schüttelte sich. „Grässliche Vorstellung.“
Am nächsten Tag machte Flynn sich zu früher Stunde auf, um beim Friedensrichter Meldung zu machen. Zur gleichen Zeit fuhr Tanner in die Bow Street.
Der Beamte hörte sich Flynns Bericht an, beäugte angewidert den abgeschnittenen Finger und begann, in den Papieren auf seinem Schreibtisch zu kramen.
„Aha!“ Er hielt sich ein Blatt Papier vor die Nase und betrachtete es aufmerksam durch seine dicke Brille. „Hier, lesen Sie!“ Er reichte es Flynn.
Es war der Bericht eines Constablers, in dem gemeldet wurde, dass die Leichen eines Mannes und einer Frau vor zwei Tagen in einer Gasse aufgefunden worden waren. An der rechten Hand der Frau fehlte der Ringfinger. Die Spuren grausamer Folter, die ihre Körper aufwiesen, waren detailgenau in dem Bericht aufgeführt.
„Die Leichen wurden noch nicht begraben.“ Der Richter nahm den Bericht wieder entgegen und legte seine gefalteten Hände auf den Schreibtisch. „Wir wollten noch ein paar
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