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Ballard, James G.

Ballard, James G.

Titel: Ballard, James G. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Welt in Flammen
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Muscheln ausgelegt.
    Als Ransom sich der Hütte näherte,
war Catherine Austen eben damit beschäftigt, Sand von den Muscheln zu bürsten.
Sie sah kurz zu ihm auf und begrüßte ihn mit einem Nicken. Obwohl die Sonne
warm über der windgeschützten Senke stand, hatte sie den Lederkragen ihrer
pelzgefütterten Jacke nach oben geschlagen, so daß er ihr eingefallenes Gesicht
verdeckte. Die tief in den Höhlen liegenden Augen riefen in Ransom die
Erinnerung an die ersten schweren Jahre wach, die Catherine in Gesellschaft der
Alten verbracht hatte. Damals hatten die beiden kümmerlich zwischen den
Autowracks gelebt. Der Erfolg ihres gegenwärtigen Verhältnisses – das
ausgebleichte rote Haar ließ sie wie Mutter und Tochter erscheinen – beruhte
auf ihrer völligen Abhängigkeit voneinander und auf der Tatsache, daß sie jeden
Fremden grundsätzlich davon ausschlossen.
    Catherine hatte die Tierkreiszeichen
in den weichen Sand geschrieben und Krebs, Widder und Skorpion durch eine Linie
verbunden.
    »Das sieht richtig professionell
aus«, stellte Ransom fest. »Was sagt mein Horoskop für heute?«
    »Wann sind Sie geboren? In welchem
Monat?«
    »Cathy!« Mrs. Quilter drohte Ransom
lächelnd mit dem Zeigefinger. »Das kostet einen Hering, Doktor. Vergiß nicht,
daß wir kein Wohltätigkeitsverein sind, meine Liebe.«
    Catherine nickte der Alten zu und
wandte sich dann wieder an Ransom. Ihr dunkelbraunes Gesicht, das von Wind und
Salz gegerbt war, verzog sich zu einem Lächeln, wobei die weißen ebenmäßigen
Zähne sichtbar wurden. »In welchem Monat sind Sie geboren, Doktor? Oder haben
Sie es etwa schon vergessen?«
    »Juni«, antwortete Ransom. »Wassermann,
nehme ich an.«
    »Krebs«, verbesserte Catherine ihn.
»Das Zeichen des Krebses, Doktor, das Zeichen der Wüste. Das hätte ich früher
wissen sollen.«
    »Vielleicht haben Sie recht.« Ransom
sah zu den unbeweglichen Karussellpferden hinüber. »Wüsten? Ja, ich akzeptiere
den Rest unbesehen.«
    »Aber welche Wüste, Doktor? Das ist
die Frage, mit der Sie sich beschäftigen müssen.«
    Ransom zuckte mit den Schultern.
»Spielt das wirklich eine Rolle? Wir Menschen haben ohnehin die Gabe, alles in
Sand und Staub zu verwandeln, was wir berühren. Wir haben sogar das Meer mit
seinem eigenen Salz besät.«
    »Das ist ein sehr pessimistischer
Standpunkt, Doktor. Hoffentlich beurteilen Sie den Zustand Ihrer Patienten
etwas optimistischer.«
    Ransom starrte sie mit gerunzelter
Stirn an. Catherine wußte ebensogut wie er, daß er keine Patienten hatte. In
den ersten Jahren am Strand hatte er Hunderte von Kranken und Verwundeten
behandelt, die aber fast alle an Unterernährung gestorben waren. Jetzt
betrachteten die Siedler ihn als eine Art schlechtes Omen und schienen zu
glauben, jeder Kranke, der einen Arzt brauchte, sei bereits zum Tod verurteilt.
    »Ich habe keine Patienten«, sagte er
ruhig. »Die Leute weigern sich strikt, mich ans Bett eines Kranken zu lassen.
Wahrscheinlich sind ihnen Ihre angeblichen Heilmittel lieber.« Er sah zu den
Hügeln auf. »Für einen Arzt gibt es nichts Schlimmeres. Haben Sie Philip Jordan
gesehen? Vor ungefähr einer halben Stunde?«
    »Er ist vorbeigegangen. Ich weiß aber
nicht, wohin er wollte.«
    Ransom kletterte eine halbe Stunde
lang durch die Dünen und wanderte über die Sandhügel am Fuß der Klippen. Hier
waren an vielen Stellen Höhlen an die weichen Kreidefelsen getrieben worden,
aber diese primitiven Behausungen mit ihren Wellblechtüren und winzigen
Fenstern standen nun schon seit Jahren leer. Der Sand speicherte einen Teil der
Sonnenwärme auf, und Ransom blieb zehn Minuten lang unter einem Felsen liegen,
wo er eine windgeschützte Stelle gefunden hatte. Dann stieg er durch einen
schmalen Einschnitt nach oben weiter und erreichte den Rand der Klippe, von dem
aus er Philip Jordan zu sehen hoffte, wenn er in die Siedlung zurückkehrte.
    Nachdem er diesen Beobachtungspunkt
erstiegen hatte, saß er auf den Felsen und sah auf den Strand zu seinen Füßen
hinab. Die Salzwüste erstreckte sich bis zum Horizont, um erst dort allmählich
ins Meer überzugehen. Die gestrandeten Frachter der Siedlung lagen in einem
Halbkreis beieinander, als seien sie in einem kleinen Hafen vor Anker gegangen.
Ransom wandte sich ab und sah zum Fluß hinüber, dessen Mündung unter
Wanderdünen und abgerutschtem Gestein begraben war. Erst drei- oder vierhundert
Meter weiter war das Flußbett wieder unberührt weiß und ausgetrocknet, so daß
eine

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