Ballard, James G.
harte, ebene Oberfläche entstand, auf der nur einige Felsbrocken lagen.
Ransom verfolgte das
gegenüberliegende Ufer mit den Augen und stellte fest, daß zwischen den großen
Felsblöcken ein enges Tal abzweigte. Auch dieser Einschnitt war mit Staub und
Sand gefüllt, so daß die zerfallenen Mauern einzelner Häuser zu beiden Seiten
des Tals halb unter den Dünen verschwanden.
Im schrägen Licht der tiefstehenden
Sonne erkannte Ransom deutlich eine Spur, die über den weichen Sand am Talboden
führte, die Ruine einer alten Villa überquerte und dann plötzlich abbrach.
Als Ransom wieder durch den
Einschnitt in den Klippen nach unten stieg, sah er Philip Jordan kurz hinter
einer Mauer auftauchen und dann rasch eine Treppe hinablaufen.
Fünf Minuten später, als Ransom schon
fast die Stelle erreicht hatte, an der er das geheime Grab des alten Negers
vermutete, flog ein Felsbrocken dicht an seinem Kopf vorbei. Er duckte sich und
sah dem faustgroßen Stein nach, der hinter ihm durch den Sand bergab rollte.
»Philip!« rief er in die Sonne
hinein. »Hier ist Ransom!«
Philip Jordans schmales Gesicht erschien
zehn Meter über ihm. »Verschwinden Sie, Ransom«, sagte er laut. »Bleiben Sie am
Strand, wo Sie hingehören.« Er nahm einen zweiten Stein auf. »Sie haben heute
schon einmal Glück gehabt.«
Ransom hielt sich in dem rutschigen
Sand aufrecht. Er wies auf die Ruine hinter Philip. »Hast du vergessen, wer ihn
überhaupt hierher gebracht hat? Wenn ich nicht gewesen wäre, hättest du ihn nie
begraben können.«
Philip Jordan trat einen Schritt
weiter vor. Er wog den Stein in der Hand und beobachtete Ransom, der seinen
Aufstieg fortsetzen wollte. Dann hob er warnend die Hand. »Ransom ...!«
Ransom blieb nochmals stehen. Obwohl
Philip Jordan stärker und jünger war, fühlte er sich ihm einigermaßen
gewachsen. Während er wieder langsam weiterkletterte und dabei an das in seinem
rechten Stiefel versteckte Messer dachte, wurde ihm klar, daß Philip Jordan
sich endlich für die Hilfe bedanken wollte, die Ransom ihm vor fünfzehn Jahren
geradezu aufgedrängt hatte. Niemand konnte eine Verpflichtung dieser Art
eingehen, ohne die Schuld früher oder später in ganz anderer Münze zu
begleichen. Aber vielleicht sah Philip in Ransoms Gesicht auch die asketischen
Züge seines wirklichen Vaters, vor dem er ein zweitesmal geflohen war, als er
vom Ufer aus gerufen wurde.
Ransom stieg langsam weiter und
tastete mit den Fußspitzen nach Felsen unter dem Sand, die ihm mehr Halt boten.
Dabei beobachtete er den Stein in Philips Hand, der sich deutlich von dem
wolkenlos blauen Himmel abhob.
Auf einem Felsvorsprung fünf Meter
über Philip stand ein hageres, schlankes Tier mit dichter Mähne und schien die
Szene zu seinen Füßen nicht einmal wahrzunehmen. Das struppige Fell war grau
vor Staub, die schmalen Flanken schienen von Dornen zerkratzt zu sein, und
Ransom erkannte zunächst nicht, welches Tier er vor sich hatte. Dann hob er den
Arm und zeigte darauf, während das Tier weiter unbeweglich über den Strand und
die Salzwüste sah.
»Philip«, flüsterte er heiser. »Dort
... hinter dir auf dem Felsen.«
Philip Jordan wandte den Kopf und
ließ dann vor Überraschung den Stein fallen. Als der Felsbrocken zersplitterte,
sprang der kleine Löwe erschrocken zur Seite. Er raste mit eingezogenem Schwanz
über die steilen Abhänge davon und wirbelte dabei große Staubwolken auf.
Als Ransom neben Philip stand, spürte
er die Hand des jungen Mannes auf seinem Arm. Philip beobachtete noch immer den
Löwen, der eben das ausgetrocknete Flußbett erreichte. Seine Hand zitterte,
aber nicht vor Angst, sondern vor unbeherrschbarer Erregung.
»Was war das – ein weißer Panther?«
fragte er heiser und verfolgte die entfernte Staubwolke mit den Augen, während
sie zwischen den Dünen verschwand.
»Ein Löwe«, sagte Ransom. »Ein
kleiner Löwe. Er scheint hungrig zu sein, aber ich bezweifle, daß er
zurückkommt.« Er schlug Philip auf den Rücken. »Philip! Weißt du, was das
bedeutet? Erinnerst du dich an Quilter und den Zoo? Der Löwe muß von Mount
Royal aus hierhergekommen sein! Das bedeutet ...« Er konnte vor Erregung nicht
weitersprechen.
Philip Jordan nickte und wartete
darauf, daß Ransom wieder zu Atem kam. »Ich weiß, Doktor. Es bedeutet, daß es
zwischen hier und Mount Royal Wasser geben muß.«
Hinter der Mauer führte eine
Betonrampe in die Tiefgarage des Hauses. Staub und Felsbrocken waren aus dem
Weg
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