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Ballast oder Eva lernt fliegen

Ballast oder Eva lernt fliegen

Titel: Ballast oder Eva lernt fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Jeuk
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Gutaussehen brauchte, unterbrachte. Dass sie überhaupt so viel unterzubringen hatte, verdankte sie wiederum ihrer disziplinierten Haushaltsführung. Sie lebte durchaus nicht von Edel-Fertig-Menus, solche Leckerbissen gönnte sie sich nur zu passenden Anlässen. Ihre eigenen Kochkünste waren, das war Eva nur zu bewusst, erbärmlich. Evas Alltagskost war zwar gesund, aber nicht eben genussbringend. Sie fand es sehr praktisch, dass die meisten Nahrungsmittel umso wertvoller waren, je weniger Mühe sie sich mit ihnen gab. Ihre Geschmacksnerven waren also nicht verwöhnt, obgleich sie eine gute Esserin war. Und Christian hatte sich mit dem hohen Anteil an Rohkost abgefunden, da er Evas Gekochtes und Gebratenes beinahe fürchtete.
    So minimalistisch Evas Aufwand in der Küche, so exzessiv war derjenige, der alles Sichtbare betraf. Ihre eingeschränkten finanziellen Mittel machte sie mit Einfallsreichtum und Ausdauer wett. Kein Weg war ihr zu weit, wenn es darum ging, preisgünstig die richtigen Accessoires zu erwerben, sei es für ihre Garderobe oder für ihre Wohnung. Auf all zu modische Kleidung musste sie notgedrungen verzichten, da diese zu kurzlebig war. Und im Ausbessern und Reparieren hatte sie es im Laufe der Zeit zu wahrer Meisterschaft gebracht.
    Auf diese Weise war es Eva gelungen, eine beeindruckende Garderobe zusammenzutragen, die nur einen entscheidenden Schönheitsfehler hatte: Sie war ganz und gar auf die alte, auf die geschminkte Eva abgestimmt.
    Als sie im April die Wintersachen aus dem Schrank holte, um Platz für die wärmere Saison zu machen, wurde ihr dieser Umstand schmerzlich bewusst. Ihr Kleiderschrank und die Kommoden platzten aus allen Nähten, und doch hatte sie sich in den vergangenen drei Monaten auf eine recht kleine Auswahl an Kleidungsstücken beschränkt, eben aus diesem Grund.
    Während sie ein Stück um das andere auf ihrem Bett stapelte, um sie in Vakuumhüllen verpackt im Keller einzumotten, begann sie ganz automatisch zu unterteilen: Der Stapel mit Kleidungsstücken, die sie in den letzten Monaten getragen hatte, nahm sich geradezu lächerlich aus, verglichen mit dem textilen Gebirge daneben. Ratlos musterte sie die ungleichen Haufen, als es an der Wohnungstür klingelte.
    Es war Ariane. Die beiden so gegensätzlichen Frauen hatten sich inzwischen auch privat angefreundet (worüber sich beide nach wie vor im Stillen wunderten). Und erneut sollte es die Bürobotin sein, die Eva zeigte, wohin die Reise ging. Erst musste sie sich allerdings vom Anblick des unter Stoffbergen begrabenen Ehebetts erholen, und das dauerte seine Zeit.
    Eva beschlich ein mulmiges Gefühl, während Arianes Blick zwischen Bett, Schrank und offenen Kommodenschubladen hin- und herirrte, wobei das Kaugummi-Geknatsche der Freundin immer heftiger und unappetitlicher wurde. Schließlich wurde es Eva zu dumm und sie fuhr fort, Kleidungsstücke aus dem Schrank zu holen.
    Ariane beobachtete einige Zeit Evas Sortierarbeit, ging dann zum Bett und wühlte in einem bis dahin penibel aufgeschichteten Stapel. Mit wohligem Entsetzen rief sie ihre Göttin an, zog einen metallic-blauen Cardigan hervor und erklärte, dass Eva eindeutig krank gewesen sein müsse.
    Die wollte protestieren, der Cardigan stand ihr phänomenal gut, doch Ariane kam ihr zuvor, indem sie trocken feststellte, Eva könne all das Zeug unmöglich in die Tonne drücken. Und für Katastrophengebiete sei es auch nicht das Wahre. Ob sie denn einen guten Second-Hand-Shop kenne?
    Eva stand wie vom Blitz erschlagen, sprachlos.
    Ariane, ungerührt weiter in den Stapeln wühlend, plauderte derweil über ihre reichhaltigen Erfahrungen mit solchen Läden. Sie kenne da einen Typen, der vielleicht ein Auge zudrücke und das ganze Zeug in Kommission nähme.
    Das war zu viel. Dieser Kleiderhaufen war Evas Lebenswerk! Vorwurfsvoll starrte sie abwechselnd Ariane und das Kleid an, das sie eben aus dem Schrank geholt hatte. Ein wunderschönes Etuikleid, das sie erst vor kurzem getragen hatte, als Bernd sie zu einem Konzert ausgeführt hatte. Sein Kommentar war niederschmetternd gewesen. Netter Fummel, aber im Jogging-Anzug sei sie ihm lieber. Und am allerbesten gefiele sie ihm sowieso nackt. Na ja, das war nun wieder nett gewesen. Und ohne Styling kam das Kleid natürlich nicht wirklich zur Geltung. Und die High-Heels, die sie extra zu diesem Kleid gekauft hatte... Bernd hatte sie doch tatsächlich ausgelacht, als sie ihm in der Pause gestehen musste, wie sehr ihre neuerdings

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