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Ballast oder Eva lernt fliegen

Ballast oder Eva lernt fliegen

Titel: Ballast oder Eva lernt fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Jeuk
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die Listen ihr halfen, ihr Leben als berufstätige alleinerziehende Mutter im Griff zu behalten. Und dann hatte sie – aus dem Kopf wohlgemerkt, um zu beweisen, dass dieser auch ohne Hilfsmittel besser geordnet war, als der ihrer Kollegin – eine lange Liste von Versäumnissen aufgezählt, derer sich ihre Kollegin in den vorangegangenen drei Wochen schuldig gemacht hatte. Am Ende des Gesprächs war die Kollegin bekehrt und verfasste mit Evas Unterstützung ihre erste eigene Liste.
    Eines sollte ich hier vielleicht richtig stellen: Die Listenmanie hatte durchaus nicht erst nach der Desertion ihres Mannes eingesetzt, im Gegenteil, ich halte sie eher für einen der Auslöser seiner Flucht. Denn Eva hatte auch für ihn Listen angefertigt.
    Nur wenige Wochen vor seinem zunächst nur als Dienstreise geplanten Flug nach Australien hatte Wolfgang Türmer sich in einer Eckkneipe sturzbetrunken über Evas Listenterror beklagt. Bei dieser Gelegenheit hatte er auch ein paar recht geistreiche Überlegungen angestellt. Das Wort listig etwa bekäme in Bezug auf Eva eine ganz neue Bedeutung, ebenso wie listenreich . Eva könne man in diesem neuen Sinne mit Fug und Recht als die Listenreiche bezeichnen, wenn es mit ihrer Intelligenz auch nicht weit her sei. Er jedenfalls fühle sich hoffnungslos überlistet . Als Symbol seiner Entschlossenheit, in den Widerstand zu gehen, hatte er zum Schluss versucht, vier von Eva für ihn angefertigte Listen in einem Aschenbecher zu verbrennen, worauf der Wirt ihn hinaus warf.

    In ihrem Badezimmer warf Eva einen ernüchternden Blick auf ihre Uhr. Es blieben nur noch neununddreißig Minuten bis Mitternacht. Sie beschloss, ihre eingestaubten Stenographie-Kenntnisse zu reaktivieren und verließ das Bad, um Block und Stift zu holen. Der Flur hatte wunderbarerweise seine schlichte Geradheit zurückerlangt, nur lag da Christian, auf seinem Motorrad abgelichtet, inmitten von Scherben auf dem Boden. Eine phantasievollere Mutter hätte dieser Anblick womöglich schockiert, die Symbolik war unübersehbar. Doch da Eva nur mäßig mit Phantasie belastet war, machte sie sich weniger Gedanken um die Unversehrtheit ihres Sohnes, als darüber, dass sie die Scherben zusammenkehren musste, sobald sie mit dem Badezimmer fertig war.
    Die letzten fünfunddreißig Minuten ihres vierzigsten Lebensjahres arbeitete Eva verbissen und konzentriert. Sie hatte ihren Rausch inzwischen soweit im Griff, dass sie daran dachte, einen kleinen Teil ihrer Toilettenartikel zu behalten. Verschont blieben Zahnbürste und Zahnpasta, Haarbürste, Kamm und Föhn. Außerdem ein Stück Seife, Handcreme, Nagelschere und, nach kurzem Zögern, auch die Feile. Shampoo und Haarspülung durften bleiben, wohingegen Duschgel, Badeschaum und Haarkur den Weg in den Müllsack fanden. Bodylotion und Tagescreme wurden als ebenso unverzichtbar eingestuft wie das Deo. Dass auch das Pinzetten-Set die Säuberungsaktion überstand, begründete Eva vor sich selbst mit der Notwendigkeit, gegen Holzspreißel und Zecken gewappnet zu sein. Dass die hübschen, kleinen Zangen auch dem Kampf gegen buschige Augenbrauen dienten, stand auf einem anderen Blatt.
    Als Eva aus dem Haus trat und auf die Mülltonnen zuhastete, trug sie in jeder Hand zwei volle Fünfunddreißigliter-Tüten. Sie schlug den Deckel der Tonne in eben dem Augenblick zurück, da in der Ferne eine Kirchenglocke anschlug. Feierlich versenkte sie die Symbole der Sklaverei in den übelriechenden Tiefen, und während sie dies tat, empfand sie mit tiefer Befriedigung die Großartigkeit des Augenblicks. Nie wieder!, skandierte sie zum Takt der Kirchenglocke, und zitternd verharrte sie in der eisigen Januarnacht, bis der letzte Glockenschlag verklungen war.
    Das Erwachen war ein böses. Eva fand sich vollständig bekleidet quer über ihrem Bett liegend wieder, ein pelziges, übel schmeckendes Etwas im Mund. Vielleicht, so deuteten es die wirren Bilder an, die ihr misshandeltes Hirn halluzinierte, war es der ungewaschene Balg einer Kanalratte, die dem Straßenbaukommando zum Opfer gefallen war, das sich mit Presslufthammern durch ihren Kopf grub.
    Ihr Magen meldete eine unaufschiebbare Verabredung mit der Toilette. Eva versuchte, sich aufzurichten, doch ihr restlicher Körper schien mit ihrem Magen uneins über die Dringlichkeit der Angelegenheit. Sehr behutsam ließ sie sich zurücksinken, und in den nächsten Minuten konzentrierte sie sich darauf, nicht in ihr Bett zu kotzen.
    Als sie die Augen erneut

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