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Ballaststoff

Ballaststoff

Titel: Ballaststoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Zweck anzusehen. Neugierig besah sich der Verwalter den Toten von allen Seiten, meinte jedoch, ihn bislang noch nie gesehen zu haben. Rob Higgins schien weniger Gefallen an der Situation zu finden und schüttelte nach einem kurzen Blick auf den Mann nur bedauernd seinen Kopf. Therhagen, der die Sache sehr genau nahm, musste schließlich auch passen.
    »Nee, den kenn ich nich. Tut mir leid.«
    »Da muss wohl wieder der Thomas ran mit der Vermisstendatei«, kommentierte Jansen, als die drei gegangen waren.
    Angermüller nickte unkonzentriert und sah sich um. Die Sonne stand um diese späte Nachmittagsstunde noch ziemlich hoch. Es war heiß, doch nicht drückend, was an der frischen Brise lag, die stetig von der See hierher wehte und den salzigen Geruch mitbrachte. Es war immer noch ein perfekter Sommertag. Anders als im oft kargen Hinterland des Mittelmeers, gehörten hier oben sattgrüne Wiesen mit weidenden Kühen, wogende Felder, blühende Bauerngärten und Schatten spendende Bäume dazu. All das machte den Ostseesommer so besonders. Leider war so ein Bilderbuchwetter ziemlich selten.
    Der Kommissar schob die müßige Frage, ob es nicht ziemlich ungerecht war, so einen Sahnetag im Dienst vergeuden zu müssen, schnell beiseite. Er hatte sich für diesen Beruf entschieden und würde es immer wieder tun. Auch wenn er hin und wieder ein Wochenende opfern musste, tagelang wenig Schlaf bekam, gezwungen war, unregelmäßig und womöglich schlecht zu essen und sich mit fürchterlichen Dingen zu befassen, von denen er eigentlich nie etwas hatte wissen wollen – und nicht zuletzt ständig Konflikte mit seiner Frau ausfechten musste. Er hatte sich für diesen Beruf entschieden.
    Die Kriminaltechniker waren dabei zusammenzupacken. Ihre gründlichen Untersuchungen an diesem Ort hatten bis auf den mutmaßlichen Schuh des Opfers keine signifikanten Spuren, keine Hinweise zum Tathergang gebracht. Angermüller spürte eine gewisse Unzufriedenheit. Wenig bis gar nichts hatten sie zusammengetragen.
    »Sicher findet Steffen bei der Obduktion noch irgendwelche eindeutigen Kennzeichen, oder die Fingerabdrücke des Mannes sind gespeichert. Und wenn wir die genaue Todesursache kennen, hilft uns das sicher weiter«, sagte Angermüller optimistisch zu seinem Kollegen, in dem Versuch, sich selbst zu motivieren. »Und, Claus, wie siehst du das, gibt es noch etwas für uns hier zu tun?«
    Jansen schüttelte den Kopf.
    »Wir sollten uns am besten vom Acker machen, oder?«

Kapitel II
    Schwarz schnitten die Umrisse der Bäume ins Nachtblau des Himmels. Draußen stand die Luft, und die Vögel schwiegen. Mit energischen Bewegungen rührte Gesche mit einem Holzlöffel in dem großen Topf auf dem Herd, in dem sich dunkel und träge die Mischung aus roten und schwarzen Johannisbeeren drehte. Trotz des weit geöffneten Fensters staute sich unter der niedrigen Decke die Hitze. Das war auch kein Wunder, denn im Freien herrschten immer noch über 20 Grad. Einen Juli wie diesen hatten die Menschen an der Küste seit Jahren nicht mehr erlebt.
    Pustend strich sich Gesche das kinnlange Haar hinter die Ohren. Obwohl sie nur ein leichtes Top und ihre abgeschnittenen Jeansshorts trug, fühlte sie einen klebrigen Film auf ihrer Haut. Marmeladekochen war eben genau die richtige Tätigkeit bei diesen Temperaturen, verspottete Gesche sich selbst. Vor allem, wenn man wie sie nach traditionellen Rezepten und ohne Gelierzucker arbeitete und fast eine halbe Stunde am Herd neben dem brodelnden Früchtebrei zubringen musste. Doch die Hitze und der Schweiß waren nicht der Grund, dass Gesche so unbehaglich zumute war. Wie schon des Öfteren in letzter Zeit hatte sie das Gefühl beschlichen, beobachtet zu werden, wenn sie sich am Abend in der erleuchteten Küche aufhielt. Auch heute. Henning hatte nur den Kopf geschüttelt, Quatschkram gesagt und spöttisch gelächelt, als sie ihm neulich davon erzählt hatte. Aber irgendetwas war da draußen, das spürte sie. Nicht, dass sie ängstlich gewesen wäre. Sie fand es nur unangenehm, beobachtet zu werden und nicht zu wissen, von wem.
    Wo Henning bloß so lange blieb? Eigentlich hatte er nur nach dem Abendessen zusammen mit Jonas den Weidezaun flicken wollen.
    »Autsch!«
    Ein dicker Klacks heißer Marmelade spritzte aus dem Topf und landete auf Gesches nacktem Arm. Das kam davon, wenn man nicht emsig und aufmerksam rührte, wie die Urgroßmutter, deren Namen Gesche trug, in ihrem Rezept geraten hatte. Trotzdem schweiften ihre

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