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Ballaststoff

Ballaststoff

Titel: Ballaststoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sicherer war als zuvor, dass ihr Mann ein Problem hatte, über das er keinesfalls mit ihr reden wollte.
     
    Unter den Bäumen im Garten der kleinen Villa, die in einer der Straßen hinter dem Burgfeld lag, war die Luft weiterhin sommerlich mild. Nach den langen Stunden auf dem Golfplatz und der anschließenden Sitzung im Büro genoss Angermüller die entspannte Atmosphäre. Eine Vielzahl brennender Kerzen tauchte den festlich gedeckten Tisch auf der Terrasse in ein warmes, lebendiges Licht, das sich in den hohen Weingläsern spiegelte und die Gesichter der Tafelnden erhellte. In einer Auflaufschale vor ihnen lagen drei silbrig schimmernde Fische, und um diese herum schmurgelten Tomaten, Zwiebeln und anderes Gemüse in einer köstlich duftenden Brühe.
    »Natürlich hätte ich euch lieber einen unserer guten Ostseefische serviert«, erklärte Steffen bedauernd, »aber die neueste Hiobsbotschaft ist, dass selbst Hering inzwischen so weit abgefischt ist, dass man ihn lieber nicht verzehren sollte. Deshalb musste ich eine Alternative wählen.«
    Georg Angermüller schaute neugierig auf den Tisch. »Und nun verwöhnst du uns mit Dorade?«
    »Mit Mittelmeerdorade aus ökologischer Fischzucht – zertifiziert!«, betonte Steffen mit erhobenem Zeigefinger.
    »Ah ja«, nickte Georg zustimmend.
    »Allerdings muss ich sagen, es macht wirklich bald keinen Spaß mehr einzukaufen. Früher dachte ich zum Beispiel immer, gehst du in den Bioladen, dann machst du alles richtig. Heute musst du aber jedes Mal schauen, was sagt die Ökobilanz? Bioäpfel aus Neuseeland im Juli, eingeflogen über Tausende von Kilometern? Oder lieber deutsche Äpfel, die monatelang im Kühlhaus lagen und dabei CO 2 produzierten? Am besten gar keine Äpfel, dafür eben Rhabarber, Himbeeren, Pfirsiche und was der Sommer sonst so hergibt. Es heißt eben immer, erst nachdenken. So ganz spontan nach Lust und Laune den Einkaufskorb füllen, das ist lange vorbei.«
    David lächelte fein. Ihn schienen die Gewissensfragen seines Partners beim Einkaufen eher zu amüsieren.
    »Nachdem du jetzt mit deutscher Gründlichkeit ein ökologisch korrektes Abendessen für uns eingekauft und zubereitet hast, wollen wir es auf jeden Fall nicht kalt werden lassen, oder?«
    Davids Deutsch war bis auf seinen starken Akzent perfekt. Als hoch spezialisierter Restaurator für Fresken und Malereien in Kirchen arbeitete der Engländer seit einigen Jahren überall im deutschen Sprachraum.
    »Du hast übrigens vergessen, uns über die Nachhaltigkeit der Vorspeise aufzuklären. Wie war das denn mit der Herkunft der Jakobsmuscheln auf Rucola?«
    Steffen grinste statt einer Antwort und machte sich ans Filetieren der Fische.
    »Ich muss sagen, geschmeckt hat die Vorspeise einfach nur wunderbar«, seufzte Georg wohlig und nahm einen weiteren Schluck von dem trockenen Weißburgunder. Fasziniert beobachtete er, wie präzise und flink sein Freund mit Gabel und Löffel operierte, die Fischfilets von den Gräten löste, mit geschmortem Gemüse auf den Tellern verteilte und jeweils zwei, drei Löffel vom Jus aus der Form darübergab. Plötzlich hatte er wieder die Bilder des Nachmittags vor Augen. Er sah den Toten am Rand des kleinen Weihers liegen, sah die Fliegen und ihre Nachkommen sich tummeln und Steffen akribisch mit der Pinzette hantieren …
    »Alles in Ordnung, Schorsch?«
    Steffen schien ihm ein gewisses Unbehagen angesehen zu haben, und Georg beeilte sich zu sagen, dass alles ganz hervorragend war. Als sie vorhin die wahrlich erlesene Vorspeise verzehren wollten – gebratene Jakobsmuscheln mit hausgemachter Zitronenmayonnaise und süßem Tomatenconfit auf Rucola –, hatte Georg den Fehler gemacht, sich nach dem Fortgang der Arbeit in ihrem aktuellen Fall zu erkundigen. Daraufhin gab Steffen ihm kurz aus dem Kopf Körpergröße, Gewicht und Augenfarbe des Mannes an, was Angermüller sich auf einen Zettel notierte.
    »Da wir die große Obduktion ja noch vor uns haben, kann ich bisher außer einer auffälligen – vermutlich – Blinddarmnarbe leider keinerlei besondere Kennzeichen vermelden.«
    Und danach begann der Gastgeber mit einem begeisterten Vortrag über forensische Entomologie und schilderte sehr lebendig, wie er sich bereits um die Feststellung des Lebensalters der Larven der Calliphora vicina bemüht hatte. Seiner Meinung nach handelte es sich um das Larvenstadium drei im Übergang zu vier, wenn man ihre Größe, die Atemöffnungen und den halbwegs entleerten Darm

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