Ballaststoff

dem begegnet.«
    »Was hatten Sie denn mit Kurt Staroske zu tun?«
    »Gor nix.«
    Frau Matthiesen warf genervte Blicke zum Himmel über diese Aussage. » Du hast doch erzählt, als du neulich hier im Hof das Auto gewaschen hast, da is der mit seinem Trecker so ganz nah an unserem Zaun längs gefahren, und ziemlich schnell«, sie wandte sich an die Kommissare. »Und da hat mein Mann ihn zur Rede gestellt. Schließlich is der Zaun teuer, und außerdem könnten ja auch Kinder da auf dem Weg spielen. Aber das wollte der wohl nich einsehen und hat dann meinen Mann beschimpft. So war dat doch, oder, Björn-Ole?«
    Herr Matthiesen schwieg.
    »Hatten Sie öfter Ärger mit dem Mann?«, hakte Jansen nach.
    »Wat heißt Ärger? Den Wegweiser zum Biohof hat der umgefahren und frech behauptet, ich wär schuld gewesen, weil ich gerade aus meiner Einfahrt kam.«
    »War noch etwas?«
    »Wat noch, wat noch«, entrüstete sich Matthiesen. »Dat weiß ich nich mehr, wat da noch mit dem war. Nur, dass der Kerl ein Obertüffel is.«
    »Was ist denn eigentlich mit dem?«, mischte sich Frau Matthiesen mit nicht zu verbergender Wissbegier ein.
    »Der Mann ist tot.«
    Bei dieser Auskunft zuckten die beiden regelrecht zusammen.
    »Dann is dat wohl der …?«, ließ Matthiesen seine Frage unvollendet.
    Nachdem die Beamten seine Vermutung bestätigt hatten, stellte seine Frau völlig überwältigt fest: »Is das denn zu glauben?« Sie sah bestürzt zu den Kommissaren. »Einer von unsern Nachbarn is dat! Stell dir mal vor, Björn-Ole! Oh nein, wie schrecklich!«
    »Oha«, sagte ihr Mann.
     
    Jansen lenkte den Passat in flottem Tempo über die unbefestigte Zufahrt, sodass sie eine riesige Staubwolke hinter sich aufwirbelten. Sie gelangten zu einem an einer Seite offenen Ensemble aus mehreren kleinen Reetdachhäusern, in der Mitte einem großen Bauernhaus mit Solarzellen auf dem Dach, daneben und dahinter Stallgebäuden und Scheunen. Blumen blühten vor den Häusern, ein paar Hühner liefen gackernd davon, und die gefleckten Schweine, die träge in einer schattigen Ecke ihres Kobens lagen, hoben aufmerksam die Köpfe. Neben dem Misthaufen stand ein Fahnenmast, an dem eine große Flagge mit dem Anti-Atomkraft-Emblem wehte.
    Sie stellten den Wagen im Schatten einer Scheune ab und gingen von einem Gebäude zum anderen. Als sie sich dem großen Haus näherten, tauchte aus seiner reetgedeckten Hütte ein schwarzer Hund auf, der sie aufmerksam beäugte und ein tiefes Bellen von sich gab.
    »Scheint niemand zu Hause zu sein«, vermutete Jansen. »Zum Glück ist das Untier angeleint.«
    Der Hund behielt sie weiter im Blick, hörte jedoch auf zu bellen, als sie den Umkreis des Bauernhauses wieder verließen. Aus dem Stall war das Muhen einer Kuh zu hören. Die Beamten blieben am Schweinekoben stehen, wo sie von Fliegen umschwirrt wurden. Die Schweine erhoben sich, und einige kamen neugierig angetrabt.
    »Boah, Jungs. Ihr hättet auch ma wieder duschen können«, meinte Jansen, während Angermüller eines der Tiere am Kopf streichelte.
    »Täusch dich mal nicht, die Schweine sind sauberer, als du denkst. Und wenn ich mich nicht irre, ist das eine ganz alte Rasse, mit besonders schmackhaftem Fleisch.«
    »Du denkst auch immer nur ans Essen, Georg, tss«, machte Jansen tadelnd. »Hörst du die Musik? Dat kommt von dort hinter der Kate, glaube ich.«
    Sie gingen quer über den Hof und umrundeten eines der kleinen Häuschen. In schlechter Qualität, dafür umso lauter, schallte irgendein Heavy-Metal-Musikstück aus einer Box, die in einem der Fenster stand, in den verwilderten Garten hinaus. Ein Mann in einem schwarzen Trägerhemd saß, mit dem Rücken zu ihnen, rauchend an einem Tisch im Schatten der Obstbäume, hatte eine E-Gitarre auf den Knien und bewegte seinen Kopf im Rhythmus der Musik. Als die Beamten plötzlich vor ihm standen und grüßten, schaute er erstaunt auf.
    »Tach«, sagte er nur, »is wat?«
    »Sind Sie Herr Langhusen?«
    »Nee.«
    Er fixierte Angermüller und Jansen und nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette.
    »Wissen Sie, wo wir ihn finden können?«
    »Nee.«
    Der Mann hatte ziemlich langes, dünnes Haar, das zwischen Blond und Weiß changierte, und ein Gesicht, das nur aus Falten zu bestehen schien. Er war sehr schlank, fast dürr. Seine langen Beine steckten in einer hautengen, schwarzen Lederhose. Angermüller betrachtete ihn fasziniert – den großen Ohrring in seinem linken Ohrläppchen, die wilden Tattoos auf seinen Armen,