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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Nichols
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Träume verboten – Träume von einem Mann, den sie hasste!
    Sie versuchte sich aufzurichten, und Ralph streckte ihr die Hand entgegen, um ihr dabei behilflich zu sein. Nie hätte er für möglich gehalten, wie sehr ihn sein Verhalten entsetzte. Es war unverzeihlich. “Lydia …”
    “So, Ihr kennt mich also?”, schrie Lydia wütend, schlug seine Hand weg und erhob sich. “Es hat Euch nicht gereicht, meinen Vater zu töten und meine Familie ins Unglück zu stürzen. Nein, Ihr musstet auch noch Salz in die Wunden streuen und versuchen, mich zu demütigen. Was hattet Ihr damit beabsichtigt? Sollte ich mich in Euch verlieben, damit Ihr mich dann zurückweisen und auslachen konntet? Oh, ich hasse Euch, Ralph Latimer, hasse Euch mit jeder Faser meines Herzens. Wenn ich nur einen Weg fände, Euch zu bestrafen. Möget Ihr in der Hölle verrotten!”
    “Das werde ich zweifellos tun”, murmelte er, doch sie hörte ihn nicht mehr, denn sie war ohne Überlegung davongelaufen, mitten hinein in das Unterholz, um den Rückweg wiederzufinden.
    Besorgt eilte Ralph ihr nach. “Nicht in diese Richtung, du kleine Närrin. Der Pfad führt dort entlang.”
    Lydia jedoch hatte nur ein Verlangen: fort, weit fort von ihm! Blind vor Tränen eilte sie weiter ins Moor hinein. Sie stolperte, ihr Schuh blieb in dem sumpfigen Boden stecken, Zweige zerkratzten ihr die Hände, bis Ralph sie endlich erreichte und ihren Arm zu fassen bekam.
    “Lydia, es tut mir leid …”
    Ihr Kopf fuhr herum. Sie sah ihn an, und in ihren Augen brannte der pure Hass.
    “So, es tut Euch leid, Sir?”, fragte sie höhnisch. “Aber das ist mir nicht genug. Ihr werdet dafür bezahlen! Ihr werdet für alles bezahlen, was Ihr meiner Familie angetan habt …”
    “Ich habe schon bezahlt, Lydia – immer und immer wieder.”
    Aber sie wollte seine sanfte Stimme nicht hören, die so voller Traurigkeit war, dass allein dieser Klang schon geeignet war, ihren Zorn zu beschwichtigen. Sie wollte sich nicht beruhigen! Wütend zerrte sie den Schuh aus dem Morast. “Oh nein, die Bezahlung beginnt gerade erst.”
    Sie drängte an ihm vorbei, um in die andere Richtung zu gelangen, und er hätte sie eigentlich gehen lassen sollen. Doch er brachte es nicht über sich.
    “Erlaubt mir dann wenigstens, Euch sicher nach Hause zu bringen.”
    “Ich brauche keine Begleitung, Sir. Ich kenne meinen Weg.”
    “Wirklich? Aber hier geht es nicht zum Witwensitz.”
    “Ich will Mistress Grey einen Besuch abstatten.”
    Bei der Nennung dieses Namens huschte ein Lächeln über Ralphs Gesicht. Die alte Frau war Kindermädchen in Colston Hall gewesen und dann, als er stolz die ersten Hosen trug, ins Dorf gezogen und hatte dort die Fostyn-Kinder unterrichtet, bis diese alt genug waren, um in die Schule zu gehen – alle bis auf Freddie, der seinen Unterricht im Herrenhaus erhielt.
    “Mistress Grey? Sie lebt also noch?”
    “Ja, Sir. Und nun lasst Euch sagen, dass ich Eure Gegenwart widerwärtig finde. Ich wäre glücklich, Euch nie wiedersehen zu müssen. Geht zurück nach Indien.”
    Endlich hatte Lydia den rechten Pfad entdeckt und eilte hocherhobenen Hauptes davon, trotz ihrer schmutzstarrenden Schuhe, trotz der Flecke auf ihrem Rock und der von den stacheligen Zweigen herrührenden Risse in ihrem Taftkleid. Nachdenklich verfolgte Ralph sie mit seinen Blicken. Wahrscheinlich würde sie jetzt aller Welt erzählen, er habe sie im Wald überfallen. Die Leute würden es glauben, und wieder hatte er keine Möglichkeiten, seine Unschuld zu beweisen. Vielleicht sollte er wirklich nach Indien zurückkehren?
    Als der letzte Schimmer von Lydias rotbraunem Haar zwischen den Bäumen verschwunden war, wandte er sich um und ging mit schweren Schritten in die entgegengesetzte Richtung.

4. KAPITEL
    Lydia hastete durch den Wald. Immer wieder fragte sie sich dabei, wie es nur möglich gewesen war, dass sie sich von diesem Mann so hatte einnehmen lassen. Weil er hübsch war und so hinreißend lächeln konnte? Hatte sie denn geglaubt, die Schuld, die er zehn lange Jahre mit sich herumgetragen hatte, könnte ihn gezeichnet haben? Dass scharfe Linien in seinem Gesicht sein müssten? Oder sein Haar weiß geworden war? Dass er über die Jahre hinaus gealtert war? Welch eine Torheit!
    Der neue Earl of Blackwater sah keinen Tag älter aus als seine neunundzwanzig Jahre. Seine Augen waren klar und bis heute voll freundlichen Humors gewesen. Sein Mund war schön gezeichnet und … Oh, sie war von diesen

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