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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Nichols
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Verlangen in ihr aus, dass sie sich fest an ihn klammerte. Für immer und ewig wollte sie so in seinen Armen bleiben. Dort fühlte sie sich sicher. Wundervoll sicher.
    “Siehst du”, murmelte er schließlich, ohne die Hände von ihrem Gesicht zu nehmen. “Man kann dem Unvermeidlichen nicht widerstehen.”
    Er blickte ihr tief in die Augen und las darin ihre geheimsten Gedanken – ihre Sehnsucht, ihr Verlangen nach ihm – und Scham erfüllte sie. Hasse ihn, hatte sie sich befohlen, hasse ihn, und was immer auch geschieht, verliebe dich nie in ihn. Aber nun hatte sie es doch getan. Hass und Liebe waren zwei Seiten einer einzigen Medaille, und sie war töricht genug gewesen, diese umzuwenden. Nun, so musste sie sie eben so schnell wie möglich wieder zurückdrehen, denn sonst würde sie den Ansturm der Gefühle nicht überstehen.
    Sie wollte ihn verletzen, so wie er sie verletzt hatte. Wütend riss sie sich los, nahm eine Vase vom Kaminsims und schleuderte sie mit aller Kraft nach Ralph Latimer. Doch der Earl duckte sich rechtzeitig, sodass das kostbare Porzellangefäß krachend an der Tischkante zerschellte und der türkische Teppich von Scherben übersät wurde.
    “Es war auf alle Fälle ein kleines Vermögen wert gewesen”, sagte Ralph mit sanfter Stimme.
    “Gut! Ich hoffe, das ist es auch noch wert.” Lydia packte eine zierliche Figurine und warf sie der Vase hinterher. Diesmal hatte sie besser gezielt. Sie traf Ralph an der Stirn, auf der sich eine blutende Schramme zeigte. Entsetzt über das, was sie getan hatte, ließ sie die Hände sinken und starrte auf die Blutstropfen, die ihm über die Braue rieselten. Aber selbst dieser Anblick brachte sie nicht dazu einzusehen, dass sie unrecht hatte, ganz schreckliches unrecht. “Ich hasse Euch!” wiederholte sie schluchzend.
    Mit einem Schritt war Ralph bei ihr, nahm sie in die Arme und drückte sie an seine Brust. “Meine arme Lydia”, murmelte er. “Ich hätte dir das alles nicht aufbürden dürfen.”
    “Nein, das hättet Ihr wahrhaftig nicht”, versetzte Lydia und schob ihn weg. Doch sie wagte nicht, ihn anzusehen, aus Angst, er könne die Leere ihres Herzens in ihren Augen lesen. “Ich bin verlobt und werde Sir Arthur Thomas-Smith heiraten. Habt Ihr das vergessen? Wir werden niemals Freunde sein.”
    “Nein, nein, das habe ich nicht.” Ralph seufzte, denn er wünschte sich sehnlichst, Lydia selbst zu heiraten – nicht mehr und nicht weniger. Aber das konnte nicht sein. Freundschaft indes würde nicht genügen. Sie würden es beide nicht ertragen. “Ich kann nur mein aufrichtiges Bedauern zum Ausdruck bringen und Euch um Verzeihung bitten.”
    Entschuldigungen machten jedoch nicht ungeschehen, was nun einmal geschehen war. Sie konnten die Uhr nicht zurückdrehen auf jene Stunde, da Lydia noch nicht erkannt hatte, wie sehr sie Ralph Latimer liebte, und sie änderten auch nichts an der Tatsache, dass sie mit einem anderen Mann verlobt war. Aus dieser Situation gab es keinen Ausweg, der nicht sie selbst, ihre Mutter und ihre Geschwister in Verruf bringen würde. Und da war ja auch noch Freddie, der nachts durch das Moor schlich, ganz nahe und doch ein Fremder mit tiefer Stimme und starken Armen. Der unreife Junge war ein Mann geworden, und es wäre Verrat an ihm, wenn sie den Earl of Blackwater liebte.
    “Ich nehme Eure Entschuldigung an, Mylord”, sagte sie steif. “Und nun werde ich mich mit Eurer Genehmigung auf den Heimweg begeben.”
    “Erlaubt, dass ich Euch begleite. Es könnten draußen noch Gefahren auf Euch lauern.”
    Lydia verbiss sich ein Lächeln. “Das ist ziemlich unwahrscheinlich, Mylord. Ich muss ja nur die Auffahrt hinab und über den Feldweg gehen und bin im Handumdrehen daheim.” Da sie in Männerkleidern nicht gut einen Knicks machen konnte, schwenkte sie den Hut, während sie sich theatralisch verbeugte. “Gute Nacht, Mylord.”
    Dann war sie verschwunden und hinterließ einen enttäuschten Earl, der sich das Blut von der Stirn tupfte und die Scherben auf dem Teppich bedauernd betrachtete.
    Als Lydia in den Feldweg eingebogen war, löste sich plötzlich ein Schatten aus dem Gebüsch und stellte sich ihr in den Weg. Entsetzt wich sie zurück.
    “Ich bin es doch nur, Lydia”, sagte Freddie.
    “Oh, Freddie, wie hast du mich erschreckt!” Erleichtert atmete sie auf. “Hast du es dir anders überlegt? Kommst du nach Hause?”
    “Nein, ich habe es mir nicht anders überlegt. Aber was machst du in Colston Hall? Warum

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