Ballsaison: Palinskis siebter Fall
Frühstück ?«
Das war nicht das, worauf Harry gehofft, aber das, womit er gerechnet hatte. Resignierend zuckte er mit den Achseln. »Müssen wir wohl«, brummte er unzufrieden, »aber vergiss es nicht wieder. Sonst …!« Er wusste nicht, mit welcher Ankündigung er Palinski beeindrucken konnte, ein im Raum schwebendes ›Sonst‹ schien ihm da die beste Option zu sein.
»Nein, nein, das klappt schon«, versicherte Palinski noch einmal, dann war er auch schon bei der Türe draußen.
»Das wird immer schlimmer mit ihm«, konstatierte Margit Waismeier, »dabei war das einmal ein richtig schön ruhiger Arbeitsplatz. Aber er macht sich noch selbst fertig. Glaubt wirklich, ohne ihn geht nichts mehr .«
Harry und der dazugetretene Florian Nowotny stimmten dem präzisen Befund leicht kopfnickend zu. »Aber Spaß macht es trotzdem«, bekannte der junge Polizist, »oder gerade deshalb? Was meinst du, Margit ?« Er grinste die um 15 Jahre ältere Frau freundlich frech an. Mit Erfolg, denn die musste plötzlich fürchterlich lachen.
»Übrigens, ich habe jetzt eine halbe Stunde Zeit«, Florian wandte sich an Harry, »wenn ich dir helfen kann, dann nur los. Wäre mir eine Freude .«
Das war gar keine schlechte Alternative, fand Palinskis Sohn. Und so fing er an, den beiden von Kindern in Gummistiefeln zu erzählen, die plötzlich in Sportschuhen herumliefen. Begann, frei zu assoziieren, wild zu spekulieren und verschiedene Fragen zu stellen. Und sowohl Margit als auch Florian wirkten von Minute zu Minute interessierter an dem, was der Junior so von sich gab.
* * *
Juri Malatschew beugte sich über das Brett mit den 64 Feldern und versuchte, wie jemand auszusehen, der sich ernsthaft mit einem Schachproblem auseinandersetzt. Dabei hatte der alte russische Journalist und ehemalige Kalte Krieger noch weniger Ahnung von diesem königlichen Spiel als Palinski. Und der beherrschte es, freundlich formuliert, nur äußerst mangelhaft.
Palinski hatte den wahrscheinlich einzigen Russen auf dieser Welt, der einen Turm nur mit Mühe von einem Läufer unterscheiden konnte, im Hinterzimmer des geliebten Café ›Kaiser‹ gefunden. Dort, wo sich an den Freitagabenden immer die Mitglieder des Schachklubs trafen. Da heute aber Dienstag war, waren die beiden Männer außer den drei Pensionisten, die an einem der Tische schnapsten, alleine im Raum.
Kein übler Platz und keine schlechte Tarnung für die kleine Überraschung, die ihm der Russe in Aussicht gestellt hatte.
»Hallo, Juri, mein geheimnisvoller Freund«, begrüßte ihn Palinski. »Du verstehst es, Spannung aufzubauen. Was gibt es denn heute Überraschendes ?«
»Cheute chabe ich einen ganz besonderen Grund zu feiern«, begann Malatschew seine Erklärung, und seine Augen funkelten zufrieden. »Und das möchte ich mit einem Freund tun .« Er grinste Palinski an, der fast gerührt über diesen ungewohnten Gefühlsausbruch war. Irgendetwas stimmte da nicht, spürte Mario instinktiv. So hatte er Juri noch nie erlebt. Der alte Russe zeigte heute tatsächlich Gefühle. Ja, er schien geradezu glücklich zu sein, und das musste einen ganz besonderen Grund haben.
»Also, was ist los ?« , drängte Mario. »Hast du dich auf deine alten Tage etwa gar noch einmal verliebt ?«
»Ach was«, Juri strahlte, »verlieben tue ich mich jede Woche aufs Neue. Das ist wunderbar, aber doch nichts Besonderes. Nein, mir ist ein ganz anderes Glück widerfahren .« Er strahlte Palinski förmlich an. »Ich chabe das erste Mal in meinem Leben etwas gewonnen. Und das sogar im Lotto.«
Der Brummbär aus Kasan Gewinner des Lotto-Sechsers? Das war wirklich eine Sensation. Da die Chancen auf den großen Gewinn statistisch kleiner waren, als von einem Blitz getötet zu werden, war natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, einen Lottomillionär persönlich zu kennen, äußerst gering. Und jetzt ausgerechnet Juri.
»Bestell dir, was du willst, mein Freund«, forderte ihn Juri lebhaft auf, »cheute bin ausnahmsweise einmal ich mit dem Bezahlen der Rechnung dran .« Der Gedanke schien ihm zu gefallen, denn er klatschte in die Hände und winkte die Serviererin an den Tisch. »Beginnen wir mit Champagner«, meinte er. »Das ist nie verkehrt .«
Palinski war mehr als erstaunt, denn Malatschew hatte eine Menge herausragende Eigenschaften. Übermäßige Großzügigkeit zählte aber nicht dazu. Falls überhaupt, hätte er mit einem Kaffee gerechnet, bestenfalls noch mit einem Achterl Wein, aber Champagner?
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