Ballsaison: Palinskis siebter Fall
Rechtsanwälte schwärmen sollten.
Aber zurück zum aktuellen Geschehen: Nachdem Ulrike Pleschke ihren Teil zu den morgigen Schlagzeilen abgeliefert hatte, formulierten die Eltern Sabines gemeinsam mit Teamchef Kabella einen berührenden Aufruf an die Entführer, der in den beiden Forderungen gipfelte, ›das Mädchen doch freizulassen‹ und ›das europäische Fußballfest nicht zu ruinieren‹.
Dann war dieser Albtraum endlich vorbei, und Anselm Wiegele konnte sich wieder seinen eigentlichen Aufgaben widmen.
* * *
Während ihre Eltern auf einer Pressekonferenz Gefühle zeigten, unverhältnismäßig viel Geld, nämlich sogenannten ›windfall profit‹ damit machten und ungewollt einige jahrelang andauernde Rechtsstreitigkeiten auslösten, schlenderte Sabine Pleschke alias Jan Paluda durch die Magdeburger Innenstadt. Sie hatte gut und lange geschlafen, fand die Stadt interessant und fühlte sich mit den 650 Euro, die sie vor ihrer Abreise von ihrem Sparbuch abgehoben hatte, ziemlich stark. Auf jeden Fall stark genug, um sich ein lukullisches Frühstück in einer Konditorei und die neueste CD von ›Lalabella‹ zu kaufen. Man leistete sich ohnehin kaum etwas, wie ihre Mutter häufig zu sagen pflegte. Eigentlich wollte sie jetzt schon in München sein, mindestens, aber diese Stadt und auch Papa liefen ihr sicher nicht davon.
Auf die Idee, dass sich ihre Mama und die Oma Sorgen um sie machten, kam sie nicht, denn sie hatte ihnen ja einen Schrieb hinterlassen und darin ausdrücklich betont, dass sie sich keine Sorgen machen mussten. Immerhin war sie 13 Jahre alt und damit kein kleines Kind mehr. Und Bedenken, dass die Nachricht nicht gefunden worden war, hatte sie schon gar nicht.
An so etwas dachten schließlich auch nur Erwachsene mit einschlägigen Erfahrungen.
Während Sabine alias Jan das Leben oder besser die neue Freiheit genoss, wälzte ein gewisser Hans Werner Altback, der schon mehr Witze über seinen Namen gehört hatte als Amen in der Kirche, dunkle Gedanken. Der flexible Vermögens- und Finanzberater, der auch sonst keine schrägen Geschäfte ausließ, hatte von der Entführung der kleinen Sabine sowie von ihrer verwandtschaftlichen Beziehung zum besten Torhüter, über den das DFB-Team derzeit verfügte, gehört. Und er zählte zu jenen Typen, die eine Chance bereits erkannten, wenn sie noch vor der Türe stand. Vor allem wusste er, dass Trittbrettfahren nicht das Schlechteste war, um weiterzukommen. Vorausgesetzt, man war imstande, sich von moralischen Bedenken und kleinlichen Zweifeln frei zu halten. Und vor allem clever genug.
Und so dauerte es nicht lange, bis aus dem Gedanken ein zugegebenermaßen ganz mieser, also, um es präzise auszudrücken, eigentlich sehr erfolgversprechender, ethisch aber verwerflicher Plan geworden war.
Noch weniger Zeit benötigte Altback, um den Plan in die Tat umzusetzen. Besser Trittbrett gefahren als gar nicht. Im Zeitalter des Internets war dergleichen schnell zu bewerkstelligen.
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Palinski hatte großes Glück und traf Juri Malatschew, den »verrückten Russen« und einzigen Menschen, der ihm seiner Überzeugung nach im Moment helfen konnte, in dessen bevorzugtem Café beim Frühstück an. Als Mario an den Tisch trat, der sich unter fast allem bog, was man am Morgen so zu sich nehmen konnte, blickte ihn der ehemalige KGB-Offizier kurz über seine Lesebrille an und meinte nur lakonisch: »Das chabe ich gespürt.«
Das war typisch für diesen eigenartigen Menschen, der immer den Anschein erweckte, als ob er schon vorher alles wusste oder zumindest erahnte.
»Was hast du gespürt ?« , wollte Palinski wissen, dem diese Art ein wenig auf die Nerven ging. Aber das durfte er nicht zeigen.
»Ich chabe gespürt, dass du mich cheute aufsuchen und mit einem Problem konfrontieren wirst«, erwiderte Juri und biss herzhaft in eine Nussschnecke. »Also was chast du mir zu berichten ?«
Palinski holte das Diktiergerät mit dem bereits eingelegten Band aus seiner Jackentasche und reichte es Malatschew. »Hör dir das bitte einmal an und sag mir dann, ob du irgendetwas verstanden hast .«
Juri bediente sich mit frischem Kaffee aus dem Silberkanderl, auf das er allergrößten Wert legte, denn ›nur in Silber bleibt der Kaffee richtig heiß‹. Dann gab er exakt zwei Stück Zucker dazu, rührte einige Male um und krönte das Ganze noch mit einem Spritzer warmer, aufgeschäumter Milch. Nun nahm er einen Schluck, machte ein zufriedenes Gesicht und
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