Ballsaison: Palinskis siebter Fall
wenig an meinem Seelenheil liegt, so verrate mir doch bitte, was du die ganze Zeit unter meinen Augen über die Grenze schaffst? Ehe ich noch verrückt werde .«
Freddie blickt eine Zeit lang auf Rudi, dann sagt er: »Das liegt doch völlig auf der Hand. Ich schmuggle Einkaufswagen .«
Warum, zum Teufel, schmuggelte jemand bunte Gummistiefel in den Stephansdom und das Wiener Rathaus?
Florian griff zum Telefon, um auf kurzem Weg über einen Freund bei der Polizei eine beschleunigte Handyortung zu erreichen. Doch der war derzeit nicht erreichbar.
So, jetzt hatte er aber keine Ausrede mehr. Jetzt musste er Palinski und Wilma Bachler davon in Kenntnis setzen, dass beider Sohn Harry irgendwo in dieser großen Stadt festgehalten wurde. Von Leuten, die mit scheinbar harmlosen Gummistiefeln offenbar nichts Gutes vorhatten. Wie sollte er den beiden erklären, warum er sie nicht schon gestern informiert hatte? Nach seinem Gespräch mit dem Junior. Na egal. Da musste er durch.
Es war das erste Mal, dass Florian seinen Job hasste.
* * *
Oberleutnant Beat Vonderhöh hatte eben ein hochinteressantes Gespräch mit seiner Wiener Kollegin Franca Wallner gehabt, bei der sich heute Morgen eine Anna Bader gemeldet hatte, geborene Mellnig. Um ganz präzise zu sein, bei der Frau hatte es sich um die um einiges ältere Schwester des Toten im Schlafwagen gehandelt. Und sie hatte sich vehement gegen die aktuelle Theorie ausgesprochen, dass sich ihr Bruder von seiner Mörderin im rumänischen Speisewagen quasi hatte aufreißen lassen.
»Er hätte nie aus eigenem Impuls eine Frau in sein Abteil mitgenommen«, hatte sie dezidiert erklärt, »schon gar keine Zufallsbekanntschaft. Zumindest nicht freiwillig.«
Denn ihr Bruder, dem sie ab dem 8. Lebensjahr die Mutter ersetzt und den sie daher gekannt hatte wie kein anderer Mensch, war schwul gewesen.
»Aber er ist doch …, war doch verheiratet«, hatte Inspektorin Wallner eingeworfen.
»Er ist sich erst vor knapp zwei Jahren seiner sexuellen Orientierung bewusst geworden«, hatte Anna Bader verraten, »und hat sich bis zuletzt dagegen gewehrt. Er hatte schreckliche Angst davor, dass seine Vorliebe für Männer bekannt werden und ihm bei seiner Tätigkeit als Schiedsrichter Schwierigkeiten bereiten könnte .«
»Aber heute ist man diesen Dingen gegenüber doch schon viel liberaler«, hatte Franca Wallner eingewendet.
»Ja, vielleicht generell. Aber in dieser traditionellen Männerwelt des Fußballs? Stellen Sie sich die blöden Kommentare vor, wenn ein als schwul bekannter Schiedsrichter einem Spieler die Gelbe Karte zeigt. Nein, dem wollte sich Arthur nicht aussetzen .«
»Hat Ihr Bruder einen Freund gehabt ?« , hatte die Inspektorin noch wissen wollen.
»Er hat vor einigen Monaten jemanden kennengelernt, der ihm scheinbar sehr viel bedeutet hat«, hatte die Bader eingeräumt. »Das hat er mir vor Kurzem erst ›gebeichtet‹. Aber wer, wie, wo, was, wann, keine Ahnung.«
»Und seine Frau? Wie hat die auf das alles reagiert ?«
»Die hat das wahrscheinlich gar nicht mitbekommen, zumindest nicht bewusst .« Anna Bader hatte ein böses Gesicht aufgesetzt. »Die Schlampe hat herumgehurt wie eh und je, für die ist nur ein Mensch wichtig. Nämlich sie selbst.«
»Wissen Sie eigentlich, was Ihren Bruder veranlasst hat, so plötzlich in die Schweiz zu reisen ?« , wollte Wallner jetzt noch wissen. »Angeblich hatte er irgendwelche Informationen, die auf Unregelmäßigkeiten bei der Abwicklung der Fußball-EM schließen ließen .«
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, erwiderte Frau Bader. »Wenn Sie mich fragen, hat er sich nur wichtig machen wollen. Er hat mir schon seit Monaten vorgejammert, wie ungerecht es eigentlich war, dass seine Kollegen Eisler und Pieringer auf die Schiedsrichterliste für die EM gekommen sind und er nicht. Das hat ihn ganz krank gemacht .« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Also, wenn er von einer Verschwörung gehört hätte oder von irgendwelchen kriminellen Vorgängen, dann hätte er mir sicher etwas darüber erzählt .«
Inspektorin Wallner hatte Vonderhöh von ihrem Gespräch mit der Schwester berichtet und zugesagt, alles Mögliche zu unternehmen, um an den geheimnisvollen Freund Mellnigs heranzukommen. Obwohl, bei der Ausgangslage konnte das schwierig werden, wusste der Oberleutnant aus eigener beruflicher Erfahrung.
Insgesamt war der ganze Fall durch die aktuelle Entwicklung eher noch undurchsichtiger geworden. Aber das war jetzt
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