Ballsaison: Palinskis siebter Fall
maßgeblich verbesserten? Die Frage wurde von österreichischen Medien vorsichtig optimistisch beurteilt und beschwor schon jetzt so etwas wie eine neuerliche ›Córdoba-Euphorie‹. Den Vorwürfen einiger unverbesserlicher Gutmenschen, diese Sichtweise wäre höchst unsportlich, ja unmoralisch, wurde mit dem Hinweis begegnet, dass ein möglicher Ausfall des deutschen Torhüterstars nur den der österreichischen Stürmerhoffnung Franzi Stumpferl (›Der Hatscherte‹), der sich vor zwei Tagen bei einem Verkehrsunfall einen Knöchel gebrochen hatte, kompensieren würde. Und das wieder wäre nur ausgleichende Gerechtigkeit, da der Lenker des gegnerischen Fahrzeuges aus Bielefeld stammte.
Da baute sich einiges auf, das spätestens am kommenden Sonntag zur Entladung kommen würde.
Ja, da gab es noch zwei kurze Meldungen, die aber wegen der brandaktuellen Topnachrichten in Verbindung mit der EURO 08 auf die Innenseiten der Zeitungen verdrängt worden waren. Da war zunächst der Mord an dem Wiener Rechtsanwalt Bruno W., dessen Leiche in seiner Wohnung in Döbling gefunden worden war. Ungewöhnlich an diesem Verbrechen war, dass das Opfer vor seinem Tod noch grausam gefoltert worden war.
Dagegen war der Verkehrsunfall mit Fahrerflucht, dem der slowenische Handelsattaché an der Botschaft in Wien zum Opfer gefallen war, fast schon so was wie Routine.
Das waren also die wichtigsten Neuigkeiten zwei Tage vor dem Eröffnungsspiel zur EURO 08 in Basel und das darauf beruhende Stimmungsbild. Daran konnten auch die 78 Toten bei drei Selbstmordattentaten im Irak, die 23 Toten bei Unruhen im Gazastreifen und die mehr als 12.000 Obdachlosen nach der jüngsten Hurrikankatastrophe in der Karibik nichts ändern. Ja, selbst das kleine Kälbchen, das auf einer Alm bei Saalfelden über 14 Meter tief abstürzte und dabei zu Tode kam, sollte es nur an die vierte Stelle der abendlichen TV-Nachrichten schaffen. Es war eben immer alles eine Frage der Perspektive und der Prioritäten.
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Hauptmann Werner Prosegger war Befehlshaber der aus zwölf Mann bestehenden Sondereinheit der Polizei, die sich vorsichtig an das Haus Nummer 3 am Friedmannplatz heranarbeitete.
Prosegger rekapitulierte, was ihn und seine Burschen bei dem bevorstehenden Einsatz erwartete. Gut, dass es einer der beiden Geiseln gelungen war, trotz der Bewachung durch zwölf schwerbewaffnete Personen eine SMS abzusetzen. Der Hauptmann kannte den Originaltext der Nachricht zwar nicht, hatte aber erfahren, dass eine der Geiseln schwanger sein sollte. Damit waren es eigentlich drei Personen, die es zu befreien galt. Prosegger war selbst vor knapp vier Monaten zum zweiten Mal Vater geworden und dachte in einer Mischung aus Zorn und Rührung darüber nach, was das für Menschen sein mussten, die eine Schwangere als Geisel nahmen. Pfui Teufel, die Welt wurde immer schlechter.
Die Zeit drängte, denn in der SMS war vom ›baldigen Ende‹ die Rede gewesen, und die eine Geisel hatte sogar schon letzte Grüße gesandt. Während der Hauptmann auf seine Uhr blickte, konnte er die leichte Gänsehaut, die ihm über den Rücken lief, nicht verhindern. Aber die letzten Sekunden vor einem Einsatz waren immer schon von besonderer Qualität gewesen. Trotz allen Trainings und der bestmöglichen Ausrüstung wusste man ja nie …
Ohne den Gedanken zu beenden, gab Prosegger das Zeichen zum Eingreifen.
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Während ganz Deutschland nach Sabine Pleschke suchte, hatte das nach wie vor als Jan Paluda auftretende Mädchen nicht die geringste Ahnung von der durch ihr Verhalten ausgelösten Hysterie. Im Moment saß sie auf dem Beifahrersitz eines norwegischen Lasters, der griechischen Schafkäse zum Einschweißen in Kunststoff nach Riga gebracht hatte und dann leer über Warschau nach Berlin gefahren war. Hier hatte er Hustenzuckerln (lose Ware) geladen, die in Portugal einpapierlt werden sollten. Um dann nach einem weiteren Transport nach San Ambrosio di Calabria in entsprechenden, aus Rumänien stammenden Sackerln letztverpackt zu werden.
Ole Paulsen, der etwa 50-jährige Fernfahrer aus Bergen, hatte Jan am Rastplatz bei Magdeburg aufgelesen und wollte ihn bis Würzburg mitnehmen, ehe er selbst Richtung Frankfurt weiterfuhr. Beide radebrechten mehr oder weniger unverständlich auf Englisch miteinander, unterhielten sich blendend dabei und hatten keine Ahnung, was im Lande um sie herum vor sich ging.
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Da auch die Ergebnisse der Tests von weiteren drei
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