Ballsaison: Palinskis siebter Fall
das doppelte e mit dem Accent auf dem zweiten Selbstlaut vielleicht die antiquierte Schreibweise eines alten hugenottischen Namens darstellt ?«
Erika Fuscheé musste neuerlich lachen. »Das ist mir durchaus bekannt, und es gibt einige Erklärungsversuche, diesen … Fauxpas zu deuten. Aber der mit dem alten hugenottischen Namen ist neu, der wird auch meinem Mann gut gefallen. Am wahrscheinlichsten ist es so gewesen, dass irgendein unaufmerksamer Stadtschreiber den Namen falsch in die diversen Bücher und Aufzeichnungen übernommen hat, als die Fuchés Ende des 18. Jahrhunderts aus dem Burgund zugewandert sind. Er hat ganz einfach ein e hinter dem h eingefügt, das da eigentlich nicht hingehört. Dadurch ist der Accent aigu ans Ende des Namens gewandert .« Sie zuckte mit den Achseln. »Wahrscheinlich war’s so. Wir haben schon überlegt, eine amtliche Korrektur zu beantragen Aber wozu das Ganze ?«
»Man könnte sagen, dass das der Sieg der Bürokratie über die Grammatik ist«, schmunzelte Renata Brionigg.
Aber auch Magistra Hebenstreit vom Außenamt, die bisher außer ›ja‹, ›nein‹ und einem fast verspielt wirkenden ›vielleicht‹ noch keinen Beitrag zur Konversation geleistet hatte, konnte etwas zu diesem Thema beitragen.
»So etwas Ähnliches ist einer guten Freundin von mir passiert«, wusste sie. »Durch einen Schreibfehler des Standesbeamten, der ein h vergessen hat, heißt ihr Sohn jetzt Bernard. So was gibt es auch heute .«
»Und«, wollte Erika Fuscheé wissen, »leidet der Bub darunter ?«
»Im Gegenteil«, erwiderte die Hebenstreit, »er ist ganz stolz auf seinen außergewöhnlichen Vornamen. Immerhin ist er der Einzige, den er kennt, der so heißt .«
»Genau so geht es mir und meinem Mann auch«, bestätigte die Frau des Innenministers. Und damit war diese Diskussion beendet.
Wilma hatte aber noch ein ganz anderes Problem. Sie hatte insgeheim gehofft, im Laufe des Tages Gelegenheit für ein kurzes Vier-Augen-Gespräch mit der Frau des Ministerpräsidenten zu finden. Das, was sie Renata zu sagen hatte, ging die anderen nichts an. Wirklich nicht. Aber bis jetzt hatte sie nicht die geringste Chance dazu gehabt.
Und so ernst, wie Erika Fuscheé ihre Aufgabe als VIP-Betreuerin bis jetzt genommen hatte, waren die Aussichten auf fünf Minuten ohne die Ministergattin eher düster. Vielleicht konnte ihr Marianne irgendwie behilflich sein, aber wie?
Jetzt ging es auf jeden Fall erst einmal zurück nach Ottenschlag, genauer gesagt, nach Neustein bei Ottenschlag, wo Onkel Alois und Tante Mali den Hof hatten. Dort wartete sicher schon ein köstliches Mahl auf die Gruppe. Und dazu noch eine ganz besondere Überraschung für Madame Brionigg. Nämlich die 92-jährige Josefa Thaler aus Traunberg, angeblich eine Nichte von Renatas Urgroßmutter, also ihre … was immer auch. Auf jeden Fall Familie.
* * *
Nach den beiden ›Wumms‹ im Rathaus bzw. im Dom drängte sich bei Harry Bachler immer mehr die Frage auf, wann denn eigentlich der dritte, der, wenn ihn sein Gefühl nicht täuschte, echte ›Wumm‹ stattfinden sollte. Für den jungen Mann war klar, dass die beiden bisherigen Explosionen lediglich die Ouvertüre zum eigentlichen Verbrechen gewesen waren. Dieser Dr. Matreier hatte keine Zweifel offengelassen, dass der dritte, der große ›Wumm‹, auch der entscheidende sein würde. Was hatte er noch gesagt? Ja, das war’s: ›Da wird der Alte aber schauen.‹
Nein, nicht schauen, gucken hatte er gesagt. Von welchem Alten allerdings die Rede war, keine Ahnung. Wenn es sich um einen politisch motivierten Anschlag handelte, dann konnte vom Bundespräsidenten abwärts jeder damit gemeint sein. Den Bürgermeister und den Kardinal konnte man wahrscheinlich ausschließen, obwohl …? Vielleicht war das nur ein Trick, um den Bürgermeister in Sicherheit zu wiegen.
Das Dumme an der ganzen Sache war, Harry hatte das ungute Gefühl, dass sich die Polizei gar nicht richtig um dieses dritte Attentat kümmerte. Er hatte bei seiner Einvernahme zwar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass neben Rathaus und Stephansdom noch ein drittes Objekt gefährdet war. Hoffentlich war’s überhaupt ein Objekt und nicht ein Mensch. Oder doch der ›Der Alte, der gucken würde‹?
Harry war zu sehr Sohn seines Vaters, um sich mit dieser quälenden Neugier abzufinden. Immerhin kannte er genug Menschen bei der Polizei. Er würde mit Helmut oder Franca sprechen, vielleicht konnte ihm ja auch Anselm helfen. Was
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