Ballsaison: Palinskis siebter Fall
kleinen Bomben vor ihren Augen in die Luft.
Ein halbblinder Dominikanerpater aus Tallinn, der in der ersten Reihe gestanden war, verlor dadurch auch sein rechtes Auge. Das war sehr schlimm. Andererseits war er ohnehin nie ein Freund halber Sachen gewesen. Drei weitere Pilger aus dem Baltikum wurden mittelschwer im Gesicht und an den Armen verletzt. Die in Panik geratene und ins Freie strebende Masse der Kirchenbesucher rannte eine alte Frau und drei kleine Kinder nieder und verletzte die vier leicht.
Konsul Emden, der das alles aus sicherer Distanz beobachtet hatte, war zufrieden. Diese Botschaft war un-überhörbar und konnte selbst vom lieben Gott nicht mehr unterdrückt werden. Verdammter Bürgermeister! Wäre dieser Lattuga nicht so überheblich gewesen, die Bombe im Kühlhaus zu ignorieren, die Verletzten heute hätten vermieden werden können.
Er hasste es, Menschen zu verletzen oder gar zu töten. Auch wenn es sich gelegentlich nicht verhindern ließ. Für diese Opfer hier konnte er aber nichts. Nein, wirklich nicht, dafür konnte ihn niemand verantwortlich machen.
Dr. Matreier, wie er sich hier in Wien nannte, steckte sein Handy weg und verließ den Schauplatz des Grauens Richtung Graben.
* * *
Die erste Station der magisteriellen Damenrunde um Frau Brionigg hatte zunächst beim Mohnwirt in Armschlag ein typisches Waldviertler Frühstück eingenommen. Renata bestand darauf, mit dem Vornamen angesprochen zu werden, was eine allgemeine Verschwesterung zur Folge hatte.
Die Damen ohne Waldviertler Hintergrund zeigten sich äußerst überrascht, was sich aus Mohn so alles machen ließ. Ein riesiger Korb mit Mohnzelten und anderen Spezialitäten hatte dann den Besitzer gewechselt, denn ›Ante mag bestimmt auch diese Sachen aus Mohn‹, war sich seine Frau sicher gewesen. Als Dankeschön für das großzügige Geschenk würde sich der Mohnwirt, der jegliche Bezahlung für die Köstlichkeiten abgelehnt hatte, ein Foto als Hahn im Korb der illustren Ladyrunde über der Schank aufhängen können.
Der nächste Programmpunkt sah den Besuch der berühmten ›Kraftarena‹ in Groß Gerungs vor. Die geomantisch äußerst interessierte Renata hatte schon viel von den Steinpyramiden, der Weltkugel, dem Opferstein und den anderen mystischen Einzigartigkeiten dieses Platzes gelesen und war fasziniert. Aber auch die anderen Damen, die sich bisher kaum mit diesem Thema befasst hatten, hatten sich einer gewissen kribbelnden Spannung angesichts der hier vorgefundenen Phänomene nicht entziehen können. Erika, also Frau Fuscheé, hatte es sich nicht nehmen lassen, diese Erkenntnis mit einem längst zur Plattitüde verkommenen Zitat aus Hamlet zusammenzufassen.
Apropos Erika Fuscheé: Wilma hatte die Frau des Innenministers von ihrem ersten und einzigen Aufeinandertreffen, das war vor knapp einem Jahr gewesen, in etwas ambivalenter Erinnerung. Ihre daraus für heute resultierenden Bedenken hatten sich aber zumindest bisher als völlig grundlos erwiesen. Die gelernte Pharmakologin hatte ihr Gift heute im Schrank gelassen und sich als reizende, geistreiche Gastgeberin erwiesen.
Und so nahm Wilma allen ihren Mut zusammen, um Frau Fuscheé eine … vielleicht doch etwas private Frage zu stellen. Obwohl, als Frau eines Ministers war sie auch irgendwie eine Person des öffentlichen Interesses und daher …
»Etwas wollte ich Sie … also dich«, korrigierte sie, nachdem sie sich einen scherzhaft-mahnenden Blick der Ministergattin eingehandelt hatte, »schon immer fragen. Ich hoffe, du wirst mir meine Neugierde nicht übel nehmen .«
»Nur zu«, ermunterte Erika sie, als sie Wilmas Zögern bemerkt hatte. »Was immer es ist, die Frage ist auf jeden Fall gestattet. Ob ich allerdings darauf antworten werde, werden wir sehen .« Sie lachte gutmütig.
»Also gut«, Wilma warf den letzten Rest Scheu über Bord. »Als Französischprofessorin muss ich feststellen, dass sich dein … euer Familienname über die anerkannten Grammatikregeln der Lingua Franca hinwegsetzt .« Sie grinste leicht verlegen. So geschwollen zu quatschen, war an sich nicht ihre Art. Wahrscheinlich versuchte sie damit, die letzten Spuren an Peinlichkeit zu kaschieren. »Denn der Accent aigu müsste sich nach den Regeln der französischen Sprache eigentlich über dem ersten e befinden.« So, jetzt war es raus und Wilma erleichtert.
Renata nickte zustimmend und meinte, dass ihr das ebenfalls aufgefallen war. »Erst gestern habe ich mit Ante spekuliert, ob
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