Balthazar: Roman (German Edition)
Brust, aber sie war sich nicht sicher, ob sie ihn ein Stückchen von sich wegschieben oder ihn so viel wie möglich berühren wollte.
»Hallo? Bis Montagmorgen hier eingeschlossen zu sein, wird kein Vergnügen werden!« Coach Haladkis Schritte hallten auf dem Gang. Dann sagte sie mit normaler Stimme: »Gütiger Himmel, was ist das denn? Ein Zeltpflock, oder was? Campen die Leute hier jetzt etwa schon? Irgendjemand wird noch von der Schule fliegen.«
So leise, dass Skye kaum zu verstehen war, hauchte sie: »Du hast mich gefunden.«
»Es hat zu lange gedauert. Ich hätte dich nicht aus den Augen lassen sollen. Als du nach draußen gegangen bist, bin ich dir gefolgt. Aber dann musste ich Madison und den anderen die Hölle heißmachen, weil sie in der Bibliothek Alkohol getrunken haben, was völlig idiotisch war, aber ich steckte einfach fest.«
»Nun kommen Sie schon«, war Miss Loos’ Stimme von weiter hinten auf dem Flur zu hören. »Hier ist niemand.«
»Ich dachte, ich hätte Stimmen gehört«, protestierte Coach Haladki.
Miss Loos’ Antwort klang zuckersüß: »Vielleicht war das nur das Echo Ihrer beeindruckend lauten Stimme, die nie aufhört zu plappern.«
»Gut. Selbst wenn jemand hier war, ist er jetzt weg. Lassen Sie uns abschließen.« Coach Haladki ging davon, und ihre Schritte verhallten.
Balthazar nahm Skyes Hand. Erst bei dieser Berührung bemerkte Skye, wie eiskalt vor Entsetzen ihre Finger geworden waren; er war nun derjenige, der sie wärmte. »Redgrave hat dir nichts getan, nicht wahr?«
»Nein.« Der Tanz zählt nicht , beschloss sie, auch wenn er widerwärtig gewesen war. »Hast du ihn hereinkommen sehen oder … oder gefühlt, dass er da war?«
»Nein. Normalerweise können wir einander spüren, wenn wir nicht abgelenkt sind – Vampire untereinander, meine ich. Aber das war bei mir der Fall. Ich war abgelenkt.« Er klang, als ob er diesen Teil seines Ichs von sich abtrennen wollte und es auch sofort mit einem Messer tun würde, wenn das möglich wäre.
Skye flüsterte: »Woher wusstest du denn dann, dass ich in Gefahr bin?«
»Das wusste ich nicht.« Zwar war es dunkel im Schrank, aber er war nahe genug bei ihr, sodass sie ihm in die Augen sehen konnte.
»Und warum warst du abgelenkt?« Sie hob ihr Gesicht. »Warum bist du mir hinterhergekommen?«
Balthazar zögerte einen Moment, dann gestand er: »Weil du mit einem anderen Jungen verschwunden bist. Das konnte ich einfach nicht aushalten. Skye …«
Er beendete seinen Satz nicht. Mit einem Ruck zog er sie an sich und drückte seinen Mund fest auf ihren.
Dieses Mal löste er sich nicht nach zwei Küssen von ihr, auch nicht nach fünf oder zehn. Er fuhr ihr mit den Händen übers Haar und über den Rücken und ihren ganzen Körper. Endlich war es nicht Skye, die die Initiative ergreifen musste. Sie konnte sich in der wilden Flut verlieren, die über sie beide hinwegbrandete und sie dazu brachte, ihn zu berühren, seinen Kuss zu erwidern und seine Nähe in sich aufzusaugen.
Als sich seine breiten Hände unter ihren Rock schoben und ihre Oberschenkel berührten, stöhnte sie vor Verlangen auf, doch dieser Laut schien ihn aus dem Trancezustand aufzuwecken. »Nach Hause«, sagte er heiser und abgehackt. »Ich muss dich nach Hause bringen.«
Sie wusste, was geschehen würde, wenn sie mit ihm nach Hause ginge. Sie würden etwas tun, was nie mehr ungeschehen gemacht werden könnte, und sie würden so weit gehen, dass es keinen Weg zurück mehr gäbe.
Skye küsste Balthazar noch einmal, ehe sie in seinen geöffneten Mund hauchte: »Ja.«
Sie hielten sich fest umschlungen, während sie den Flur hinuntergingen, und auch den ganzen Weg bis zum Auto. Sie fielen sich an jeder Ampel, an der sie halten mussten, in die Arme, bis sie bei Balthazars Haus ankamen. Dann verschwamm alles – der Moment, in dem sie ihren Pferdeschwanz aufmachte, das Gefühl von seiner Brust unter ihren Handflächen, als sie sein Hemd aufknöpfte, ihre Körper, ineinanderverschlungen im Schein des Feuers – das alles war ein langer, rauschhafter Traum, aus dem sie nie wieder erwachen wollte.
23
Balthazar hatte ganz vergessen, wie es sich anfühlte, neben einem Mädchen zu liegen, das man liebte, und zu wissen, dass die Liebe erwidert wurde. Er hatte die Erinnerung an das schlichte Vergnügen verloren, neben einer jungen Frau aufzuwachen und sie beim Schlafen zu beobachten, und auch daran, wie es war, lange Zeit schweigend beisammenzusitzen, sich über dies und das
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