Balthazar: Roman (German Edition)
an der Decke angestrahlt wurden.
All das half ihm dabei, nicht aufzufallen.
Endlich, inmitten der tanzenden Gestalten, ganz im Zentrum der Tanzfläche, entdeckte Balthazar die Leute, die er suchte.
Redgrave trug einen dunkelroten Anzug und ein leuchtendes, rosafarbenes Hemd. Er tanzte mit Charity. Sie, die immer so süß, so unschuldig und so verloren ausgesehen hatte, trug nun ein schlichtes weißes Oberteil und Hotpants, die ihren kindlichen Körper nur spärlich bedeckten. Glitzernder Lidschatten war bis zu ihren Brauen hochgezogen, und das dicke, cremige Rouge, das gerade so in Mode war, ließ ihre Wangen derart künstlich rosig erscheinen, als wäre sie eine Porzellanpuppe.
Die beiden hatten Spaß. Selbst Balthazar konnte das nicht entgehen. Allein die Vorstellung versetzte ihm einen Stich und brachte die Fassung, die er im Laufe der Jahre mühsam wiedererlangt hatte, ins Wanken. Wut übermannte ihn – auf Charity, auf das Schicksal und vor allem auf Redgrave, der sie alle zu einem Abbild seines eigenen mordgierigen, seelenlosen Selbst gemacht hatte.
Nun – um Redgrave zu töten, war er gekommen. Wenn Charity daraufhin das Herz brach, dann sollte sie sich eben die Augen aus dem Kopf weinen, wenn sie wollte. Balthazar redete sich ein, dass ihm das völlig egal wäre. Es spielte keine Rolle mehr, was mit seiner treulosen, kleinen Schwester geschah. Nichts war mehr wichtig, außer Redgrave endlich umzubringen.
Die anderen Vampire waren in dieser Nacht nicht dabei; er hatte sie schon seit langer Zeit ausgespäht und jede ihrer Bewegungen genau beobachtet, ehe er sich schließlich entschlossen hatte zuzuschlagen. Lorenzo hatte sich eine Zeit lang vom Clan verabschiedet und war zu einem Alleingang aufgebrochen. Irgendwann würde er unweigerlich zurückkehren, vollgesoffen mit Blut, selbstzufrieden bis zum Platzen und mit einem neuen, abscheulichen Gedicht in seinen Händen. Constantia und die anderen waren in einem schwarzen Sportwagen aufgebrochen, um zu jagen oder zu feiern, wobei Balthazar davon ausging, dass es für sie kaum einen Unterschied ausmachte.
Endlich, nach Wochen des Abwartens und des Beobachtens, war der Moment da, auf den er so lange gehofft hatte. Redgrave und Charity waren in der Öffentlichkeit unterwegs, sodass sie verletzlich und ganz auf sich gestellt waren.
Balthazar grinste, als er sich seinen Weg durch die Tänzer bahnte. Es verlangte ihn mehr danach, Redgrave endlich den Garaus zu machen, als es ihn je nach Menschenblut verlangt hatte. Zum ersten Mal überhaupt würde er jemanden töten, und er würde jede Sekunde davon genießen.
Als Balthazar näher kam, tanzte Charity gerade unter der glitzernden Diskokugel. Die Lichter färbten ihr Gesicht und ihre Haare blau, weiß und wieder blau. Redgrave lachte und drängte sich enger an sie heran; seine Bewegungen waren halb obszön. Zum ersten Mal war das Balthazar egal. Alles, was sein Opfer ablenkte, war ihm willkommen.
Mit einer Hand fuhr er in seine hintere, rechte Hosentasche, wo sich seine Finger um den Griff des dort verborgenen Springmessers schlossen. Es würde nicht leicht werden, jemandem damit den Kopf abzutrennen, aber eine Axt hätte sich wohl kaum in den Nachtclub schmuggeln lassen. Außerdem: Wenn er fester und länger sägen musste, um zum Ziel zu gelangen, würde ihm das nur noch mehr Vergnügen bereiten.
Die Musik veränderte sich und wurde nun noch lauter und schneller, und endlich war Balthazar zu Redgrave und Charity vorgedrungen. Noch ehe Redgrave ihm den Blick zuwenden konnte, hatte Balthazar ihm seine freie Hand in den Nacken gelegt und drückte mit aller Kraft zu. »Sag gute Nacht, Charity«, sagte Balthazar und ließ die Klinge aufblitzen, um Redgrave den Hals aufzuschlitzen.
Charity schrie und sprang zwischen die beiden, sodass sie in einem verschlungenen Knäuel zu Boden stürzten.
Balthazar hatte sich auf einen Kampf eingestellt und donnerte Charity die Faust gegen den Unterkiefer. Es war das erste Mal, dass er sie ernsthaft schlug, und es schmerzte ebenso, wie er es erwartet hatte. Die Leute um sie herum begannen zu kreischen und suchten auf ihren Plateauschuhen und ihren Keilabsätzen das Weite. Charity sank ohnmächtig zusammen; die blinkenden Lichter zeichneten auf dem Boden der Tanzfläche die Silhouette ihres ausgestreckten Körpers nach. Balthazar drehte sich zu Redgrave um, und dieses Mal schaffte er es, ihm die Klinge in den Hals zu rammen.
»Was zum …« Redgraves Stimme brach in einem
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