Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Balthazar: Roman (German Edition)

Balthazar: Roman (German Edition)

Titel: Balthazar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
Vom Netzwerk:
hatte.
    Aber nein, das war gar nicht nur ein Bild in ihrer Vorstellung. Der Geist war wirklich bei ihr und kommunizierte mit ihr, vielleicht durch Skyes Verbindung zu den Toten.
    Skye dachte: Warum spüre ich nicht auch deinen Tod?
    Die Antwort waren keine Worte, sondern eher ein Bild. Da war das kleine Mädchen in einem altmodischen Krankenhaus. Es litt an irgendetwas, was die Ärzte nicht erkannten. Ihre winzigen Hände lagen auf der Decke, umklammerten sie und verkrampften sich vor Schmerzen, dann ließen sie schließlich los. Dort war sie gestorben, nicht zu Hause. Aber der Tod blieb unnatürlich und unrecht.
    Du bist vergiftet worden , begriff Skye. Aber von wem? Und warum?
    Das Kind hatte es nie erfahren. Von ihren Eltern? Von einer strengen Gouvernante? Auf jeden Fall war etwas Entsetzliches geschehen. All diese Bilder verschwammen zu etwas bodenlos Bösem, das sich wie Öl auf Skyes Haut anfühlte.
    Skye hielt sich an den Zweigen der Bäume rechts und links von ihr fest, während sie den steilen Hang zum Flussufer hinabkletterte. Noch nie war ihr der Wind so grausam vorgekommen, und der Saum des Wassers war von einer dicken Eiskruste überzogen. Trotzdem wusste sie, was sie zu tun hatte.
    Eilig streifte sie Pullover, Stiefel und ihren Rock ab, sodass sie nur Slip und ihr Unterhemd anhatte. Die Kälte war beinahe unerträglich, aber sie wusste, dass die schwere Kleidung sie unter Wasser ziehen würde. Und in den nassen Sachen herumzulaufen, sobald sie wieder an Land war, würde sie noch schneller als alles andere bis aufs Mark durchfrieren lassen.
    Ihr blieb nichts anderes übrig, als zu schwimmen. Den Fluss zu überqueren. Das war der einzige Weg, sich die Vampire so lange vom Hals zu halten, bis sie zu Balthazar Kontakt aufnehmen konnte. Auf der anderen Seite des Flusses befanden sich die Highschool, das Café Keats und viele andere Gebäude. Mit Sicherheit würde es das Klatschthema Nummer eins für den Rest des Schuljahres sein, wenn sie halb nackt und vollkommen durchnässt im Café Keats auftauchen würde, aber das war im Augenblick ihre geringste Sorge. Koste es, was es wolle, sie würde siegen. Sie würde leben!
    Nach einem tiefen Atemzug sprang sie in den Fluss.
    Das eisige Wasser fühlte sich sofort an, als würden tausend Rasierklingen ihr die Haut aufschneiden. Skye tauchte wieder auf und schrie vor Schmerz, aber sie begann auch zu strampeln, so kräftig sie konnte, und kämpfte gegen die Strömung an, um zum gegenüberliegenden Ufer zu gelangen. Die Kälte hatte jedoch einen eigenen Willen, und innerhalb von Sekunden waren Skyes Glieder so schwer, dass sie sich kaum noch bewegen konnte. Sie strampelte und ruderte kraftlos mit den Armen; ihre Zähne begannen zu klappern. Wasser spritzte ihr ins Gesicht und brannte in ihren Augen. Sie konnte spüren, wie die Tropfen auf ihrer Haut und in ihren Haaren in kürzester Zeit zu Eis gefroren.
    Das Geistermädchen schien immer bei ihr zu bleiben, doch irgendetwas war jetzt anders. Es schien ihr irgendetwas zu zeigen. Einen anderen Weg. Eine Tür.
    Keuchend brach Skyes Hand am anderen Flussufer durch die Eisschicht. Sie schaffte es, aus dem Wasser zu robben, und ihr nasser Körper fühlte sich an, als ob er sofort auf dem Boden festfrieren würde. Sie zitterte so stark, dass sie sich kaum mehr bewegen konnte, und ihr blieb nur, auf allen vieren das Flussufer hinaufzukriechen, in Richtung des kleinen Wäldchens in der Nähe ihrer Schule.
    Die Tür öffnete sich neben ihr. Es war, als hätte sie keine andere Wahl und müsste sich hindurchfallen lassen. Skye brach auf dem harten Schnee zusammen und hatte keine Gewalt mehr über ihren Körper. Was im Innern ihres Körpers geschah, war tausend Mal wichtiger geworden als das, was um sie herum geschah.
    Irgendjemand streckte ihr durch die Tür die Hand entgegen. Jemand, der sie liebte.
    Ihre Lippen formten das Wort, doch ihr fehlte die Kraft, es auszusprechen: »Dakota.«
    In diesem Moment wusste sie, dass sie dabei war zu sterben.

Was früher geschah …
    (Vierter Einschub)
    Los Angeles, Kalifornien
    12. Juni 1978
    Aus den Lautsprechern dröhnte die Musik von Donna Summer, zu der sich die Gäste auf der angestrahlten Tanzfläche der Discothek bewegten. Balthazar – bekleidet mit der für das Jahrzehnt obligatorischen Polyesterhose und einem offenen Hemd – hatte sich unter sie gemischt. Er war froh über die Menschenmasse und die dicken Rauchschwaden der Zigaretten, die von den rotierenden, blauweißen Lichtern

Weitere Kostenlose Bücher