Balthazar: Roman (German Edition)
Padmé-Amidala-Heldinnenfigur geklaut hatte. Genau wie seinerzeit schwang die Tür auf, und Skye stürmte in das leere Haus.
»Ich bin hier!«, rief sie. Ihre Worte hallten in den leeren Räumen. Es tat weh, ihr altes Zuhause in diesem Zustand zu sehen: In den Fenstern hingen Spinnweben, alle Räume waren kahl und verlassen, aber es gab etwas, das nicht fortgegangen war, wie Skye wusste. Es konnte nicht allein von hier verschwinden. »Hilf mir!«
Schwere Schritte waren auf der Veranda zu hören. Skye schoss zur Hintertür, nur für den Fall, dass ihr Plan nicht aufging. Wenn das der Fall wäre, würde sie zwar auf diese Weise auch nur wenige Sekunden Freiheit gewinnen, aber besser als nichts.
»Glaubst du wirklich, dass du mir entfliehen kannst?«, rief Redgrave. Auch seine Stimme hatte ein Echo; die Vampire waren also im Haus. Skyes Hände zitterten, als sie sie auf die Klinke der Hintertür legte. »Dummes Mädchen. Verstehst du denn nicht?« Er knurrte nun beinahe, und seine Worte klangen eher wie die eines Dämons als die eines menschlichen Wesens. »Du gehörst mir.«
In diesem Moment flackerte ein Licht.
Es war kein elektrisches Licht: Die Lampen blieben ebenso dunkel wie vor einem Jahr, als die Familie ausgezogen war und den Strom abgeschaltet hatte. Nein, dies war ein unirdisches Licht, ein gleißendes Blaugrün, das die Dunkelheit in unruhigen Wellen durchschnitt, dem Sonnenlicht auf dem Grund eines Schwimmbeckens nicht unähnlich. Sofort wurde die Luft rings um Skye herum eisig, als ob sie die Tür eines Gefrierschranks geöffnet hätte. Ihr hastiger, panikerfüllter Atem wurde zu kleinen Wölkchen in der Kälte, die sie umgab.
Sie wusste, was das war. Dies geschah, wenn ein Geist wütend wurde.
Und Skye hatte immer gewusst, dass es im Haus ihrer Eltern spukte.
Aus dem Nichts heraus begann ein dichter, eiskalter Graupelschauer niederzugehen. Hinter sich konnte Skye die Vampire vor Verblüffung und Entsetzen schreien hören. Balthazar hatte recht gehabt: Die meisten Vampire hassten Geister und fürchteten sie so sehr, dass sie es nicht wagten, ihnen gegenüberzutreten. Ihre Talismane, die sie getragen hatten, um Skye in ihrem eigenen Elternhaus aufzulauern, hatten sie im Bus achtlos beiseitegeworfen. Nun waren sie den Geistern hilflos ausgeliefert. Und ihr Geist – der Geist, den sie seit ihrer Kindheit kannte, vor dem sie sich nie gefürchtet und den sie immer willkommen geheißen hatte – schlug nun zu, um das Mädchen zu retten, das er einst ins Herz geschlossen hatte.
Die Vampire zogen sich hastig auf dem gleichen Weg zurück, auf dem sie gekommen waren. Zwar hatten sie das Haus noch nicht verlassen, aber gleich würde es so weit sein. Skye würde hierbleiben können und wäre in Sicherheit … Doch nein. Sie hatte ihr Handy nicht dabei und wusste auch sonst keine Möglichkeit, mit Balthazar Kontakt aufzunehmen, was bedeutete, dass den Vampiren jede Menge Zeit blieb, sich zu überlegen, wie sie Skye zwingen könnten, aus dem Haus zu kommen. Zum Beispiel konnten sie ihr altes Heim in Brand stecken. Wenn sie selbst keine fünf Minuten brauchte, um darauf zu kommen, dann würde es auch den Vampiren nur allzu bald einfallen. Skye musste diesen Augenblick der momentanen Verwirrung nutzen, um so weit wie möglich von Redgrave wegzukommen.
»Danke«, flüsterte Skye, als sie die Hintertür öffnete und hinaus in die Nacht schlüpfte.
Die kalte Luft machte ihr jetzt mehr zu schaffen als vorhin, als sie unter Redgraves Einfluss gestanden hatte. Er hatte ihr nicht einmal den winzigen Gefallen getan, sie ihren Mantel mitnehmen zu lassen, und so hatte sie nur Rock, Stiefel und einen violetten Pullover an, der ihr gegen die beißende Kälte nur wenig nützte. Es hatte wieder zu schneien begonnen; der scharfe Wind blies die winzigen, festen Flocken beinahe waagerecht durch die Luft.
Halt durch, sagte sie sich. Jetzt ist es nicht mehr weit.
Schon bald würden die Vampire aus dem Haus ihrer Kindheit fliehen, und danach würde es nicht lange dauern, bis sie die Verfolgung aufnehmen würden. Aber Skye hoffte, sich auf diese Weise einige Minuten Vorsprung zu verschaffen, und das war alles, was sie brauchte. Es kam ihr so vor, als ob der Geist aus ihrer Kinderzeit bei ihr blieb und ihr wie ein hilfreicher, kleiner Schatten folgte. Skye sah ihn nun lebendiger vor ihrem geistigen Auge als je zuvor: das kleine Mädchen neben dem Kamin, das ein langes Nachthemd trug und die Knie bis an die Brust gezogen
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