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Balthazar: Roman (German Edition)

Balthazar: Roman (German Edition)

Titel: Balthazar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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aber auch einfach an Jane. An ihrem lieblichen Gesicht, das durch den tiefen Ansatz ihres glänzend schwarzen Haars in der Mitte ihrer Stirn wie ein Herz aussah, an der satten Tönung ihrer Haut, der Linie ihrer schlanken Taille in diesem wunderschönen, grünen Stoff, der Art und Weise, wie sie ihn anlächelte – an ihrem Lächeln ganz besonders …
    Denk nicht daran, sagte er sich. Das wird nie was werden .
    Jane kam aus keiner Familie der Gottesfürchtigen, und nur eine Verbindung mit jemandem aus dieser Gruppe würde sein Vater je gutheißen. Zwar waren sie im Augenblick selber keine Mitglieder, die bei der Kirche wohlgelitten waren, was an der gefährlichen Koketterie ihrer Mutter mit den gottlosen Ansichten der Anne Hutchinson lag, doch ihr Vater wusste, dass sie eines Tages wieder zu Ansehen und Respekt gelangen würden. Bei Jane sah das anders aus. Sie zog mit ihrem Vater herum, einem fahrenden Händler, der seine Waren in den Kolonien entlang der Küste verkaufte. Die waren ganz sicher keine Mitglieder der Kirche, und nur ein spezieller Erlass des Gouverneurs gestattete es ihnen und ihresgleichen, sich überhaupt in Massachusetts aufzuhalten.
    Es gab Gerüchte, dass es sich bei ihnen um Papisten handle. Für die Puritaner war das unverzeihlich und noch viel schlimmer als das Heidentum der Ureinwohner, die ganz in der Nähe siedelten.
    Aber für Balthazar war es unvorstellbar, dass die Sünde in irgendjemandem, der so rechtschaffen wie Jane war, wohnen sollte. Auch wenn Jane und er sich bislang ausschließlich während der Markttage unterhalten hatten, lag sie ihm am Herzen, und er wusste, dass auch sie eine gute Meinung von ihm hatte. Wenn er sah, wie ihre Augen aufleuchteten, sobald sie ihn erblickte, schien die ganze Welt vor seinen Augen dahinzuschmelzen …
    Das kann niemals was werden , erinnerte er sich selbst.
    »Wenn ich erwachsen bin und mir nicht mehr Mama meine Kleider näht, dann werde ich auch Grün tragen«, sagte Charity. »Grüne Kleider, grüne Hauben, grüne Schürzen, sogar grüne Schuhe. Und zwar jeden Tag.«
    »Dann wirst du wie ein Spargel aussehen.«
    Seine kleine Schwester streckte ihm die Zunge raus. »Aber wie ein wunderschöner Spargel.« Im Spaß tat er so, als wolle er ihr einen Klaps versetzen, und sie schoss davon, weg aus seiner Reichweite.
    Charity wäre in London sicherlich besser aufgehoben, dachte Balthazar. Dort würde man ihr verträumtes, sprunghaftes Wesen vielleicht nur für exzentrisch halten oder sogar für einen Ausdruck ihrer Kreativität. Die Familie ihrer Mutter war, den jährlichen Briefen nach zu urteilen, warmherzig und freundlich, und es wäre denkbar, dass sie Charity so, wie sie war, akzeptieren würde. Und das wiederum könnte Mama die Kraft geben, sich ihrem Mann gegenüber für Charity starkzumachen.
    Stattdessen hielt man Charity hier für wunderlich, oft genug allerdings auch für bösartig. Er selber hatte häufig das unheilvolle Flüstern gehört – Hexe –, aber er ging davon aus, dass sie in weitaus gewöhnlicheren Schwierigkeiten steckte, als es bei einem Prozess wegen Umgangs mit dem Teufel zu erwarten gewesen wäre. Obwohl sie erst vierzehn Jahre alt war, galt Charity bereits überall als ein Mädchen, das nicht unter die Haube zu bringen sein würde, nicht einmal in einem Land, in dem es deutlich mehr Männer als Frauen gab. Die wenigen Fähigkeiten, die einer Dame zugestanden wurden – Kochen und Nähen – erforderten viel zu viel Sorgfalt, als dass Charity mit ihrem ungeduldigen Wesen sie je gemeistert hätte. Niemand sonst bekam sie so zu sehen wie Balthazar in diesem Moment: Sie hüpfte durch das Gras, und die Sonne setzte Glanzlichter auf ihre blonden Locken, als sie sich ihre Haube vom Kopf riss. Nicht trotz , sondern gerade wegen ihrer Sonderbarkeit war sie wunderschön.
    Ich werde immer auf sie aufpassen müssen , dachte Balthazar. Diese Erkenntnis war zwar nicht neu, aber aus irgendeinem Grund lastete sie heute schwerer auf ihm.
    Während Charity um den Hügel herumlief und vor ihm den Weg schneller entlanghopste, blieb er stehen und bückte sich, um seinen Hund zu streicheln. Wieder einmal fielen ihm die Risse im Leder seiner Stiefel auf; sie waren abgewetzt und eigentlich zu früh für ihn angefertigt worden, denn seine Füße wuchsen noch, sodass das Schuhwerk an den Zehen schon zu eng wurde. Ob sein Vater vielleicht darüber nachdenken könnte, die zusätzlichen Wampumgürtel zu nutzen, um ihm vor dem Winter noch ein neues

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