Balthazar: Roman (German Edition)
Haar war zurückgekämmt, und es hatte beinahe die gleiche Farbe wie seine makellose, sonnengebräunte Haut. Der kamelhaarfarbene Mantel, den er trug, war maßgeschneidert und passte perfekt zu seiner schlanken, kantigen Gestalt; eine schwere, goldene Armbanduhr glänzte an seinem Handgelenk. Als sein Blick auf Balthazar fiel, blitzten seine braunen Augen grausam und voller Habgier auf, genauso wie damals, als sie sich zum allerersten Mal gesehen hatten. Damals, in jenen letzten Tagen, in denen Balthazar noch am Leben gewesen war.
Skye rannte nun noch schneller; wenigstens einer von ihnen beiden ließ sich nicht so einfach ablenken, dachte Balthazar. Er holte sein altes Feuerzeug aus der Hosentasche, entzündete es und ließ es auf einen Stapel Pappe und Schutt fallen, der sich vor der Tankstelle angesammelt hatte. Unmittelbar danach griff er nach einem der Zapfschläuche und schaltete ihn ein.
»Was machst du denn da?«, kreischte Skye. »Wir müssen weg von hier.«
»Ja, lass uns verschwinden.« Wieder packte Balthazar ihre Hand und rannte los. Skye zog er hinter sich her, auch wenn ihm bewusst war, dass er ihr wehtun könnte, wenn er sie in diesem Tempo mitschleppte. Aber sie gelangten beinahe bis an die Straße, ehe die Pumpe ihre Arbeit aufnahm.
Hinter ihnen war eine Explosion zu hören, und eine Hitzewelle, so massiv wie eine Steinmauer, erfasste sie und hob sie von den Füßen, sodass sie in den Schneeverwehungen an der Straßenseite landeten. Balthazar sah, wie eine gleißend helle Feuersäule in die Luft schoss, und tief in sich verspürte er ein Entsetzen, gegen das er kaum ankam.
Feuer war eine tödliche Gefahr für einen Vampir und gehörte zu den wenigen Dingen, die sein endgültiges Ende bedeuten konnten.
Nun komm schon klar. Du liegst mitten im Schnee. Die einzigen Vampire, die gerade bei lebendigem Leibe verbrennen, sind die, die dich damals getötet haben .
Reifen quietschten, und Skye warf sich zur Seite, als ein Auto auf der Straße neben ihnen von der Fahrbahn abkam und mit solcher Wucht in den Graben schoss, dass die gesamte Vorderseite des Wagens eingedrückt wurde; offenbar hatte die Explosion dem Fahrer einen Riesenschreck eingejagt. Balthazar warf einen Blick zurück zur Tankstelle, gerade noch rechtzeitig, um Redgraves Straßenkreuzer an ihnen vorbei in Richtung Autobahn rasen zu sehen.
Nun, er hatte diesen Bastard zwar nicht zur Strecke gebracht, aber wenigstens wusste er, dass die alte Truppe ebensolche Angst vor dem Feuer hatte wie er. Und Skye war für den Augenblick vor weiteren Vampirüberfällen sicher.
»Sind Sie in Ordnung?«, rief Skye dem Fahrer des verunglückten Wagens zu, während sie mühsam durch den Schnee auf das Wrack zustapfte. »Hallo?«
Balthazar richtete sich auf und kam hinter ihr her. Der Fahrer sah benommen aus, und auf seiner Stirn …
Blut. Viel Blut . Balthazar blieb wie angewurzelt stehen, denn in diesem Augenblick traute er sich selber nicht genügend über den Weg, um sich in die Nähe einer derart geschwächten Beute zu begeben. Der vorangegangene Kampf war noch zu frisch, und es war noch nicht lange her, dass er den Jäger in sich freigelassen hatte.
»Mr Lovejoy!« Skye riss die Tür des Autos auf und legte eine Hand auf die Schulter des verletzten Mannes. Dieser war offenbar zu durcheinander, um ihr zu antworten. »Es ist alles in Ordnung, Mr Lovejoy. Ich rufe sofort einen Krankenwagen.« Sie holte ihr Handy heraus und erklärte Balthazar: »Das ist mein Geschichtslehrer. Er ist verletzt. Was ist mit dir? Bist du in Ordnung?«
Er hatte ein unbändiges Verlangen nach Blut. Und er war gezwungen, Skye vor einer Gefahr zu beschützen, die er selber nicht ganz begriff.
»Ja«, erwiderte Balthazar. »Mit mir ist alles okay.«
Erschöpft und von einem Schwindelgefühl überwältigt, kniete er sich in den Schnee und ließ den Kopf sinken, um sich wieder in den Griff zu bekommen. Aber auf dem Schnee waren kleine Bluttropfen von dem Mann im Auto zu sehen. Mr Lovejoy. Oder sie stammten von Skyes verletzter Hand. Vielleicht war es sogar sein eigenes Blut, falls es ihm beim Stoß gegen die Mauer schlimmer erwischt hatte, als er zunächst bemerkt hatte.
Doch rasch verlor Balthazar seine Fähigkeit, rational an die Dinge heranzugehen. Seine Gedanken waren einzig und allein auf eines gerichtet: Blut.
Nur mal kosten, nur ein einziges Mal kosten, dann wird deine Stärke zurückkehren …
Er tauchte seine Finger in die Bluttropfen im Schnee. Das Blut war
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