Balthazar: Roman (German Edition)
unruhig zu tänzeln begonnen hatte, dann saß er rasch ab. »Bist du in Ordnung?«
»Ja, alles okay.« Sie rückte ihren Helm zurecht und war vor allem beschämt. Sie war hart auf ihrem Hinterteil gelandet – ein Risiko, das immer über einem schwebte, wenn man ein Pferd ritt. »Eb, was ist denn in dich gefahren? Das sieht dir aber gar nicht ähnlich.«
Balthazar griff nach ihrem Ellbogen, um ihr beim Aufstehen zu helfen. »Mach dir nichts draus«, sagte er und sah an ihr hinab. Die kurze Berührung schien plötzlich gar nicht mehr so beiläufig und unschuldig. Und dann war da noch der warme Ausdruck von Besorgnis in seinen Augen, als ob sie wichtiger als alles sonst auf der Welt wäre …
»Dein Pferd weiß, wenn du in Gefahr bist.«
Skye und Balthazar fuhren gleichzeitig herum und sahen eine Gestalt, die sich aus dem dichten Unterholz in ihrer Nähe löste: Lorenzo. Seine Blicke waren unstet und seine Augen verschleiert. Ein Rascheln hinter ihm verriet ihnen, dass er nicht allein war.
»Redgrave hat gesagt …« Skye brach ab und kam sich mit einem Schlag dumm vor, weil sie sich auf irgendetwas verlassen hatte, was Redgrave von sich gegeben hatte. Und doch fuhr sie fort: »Er hat gesagt, dass ihr mir nichts tun werdet.«
»Ich habe die Nase voll von dem, was Redgrave sagt.« Lorenzo machte einen weiteren Schritt auf sie zu, den Blick unverwandt auf Skye gerichtet. »Sorg dafür, dass ich mich wieder lebendig fühle.«
15
Sie rebellieren , dachte Balthazar. Die Vorstellung, dass irgendjemand gegen Redgrave aufbegehren könnte, schockierte ihn. Zwar hatte er es selbst gewagt, aber soweit er wusste, war er bis zum heutigen Tage der Einzige geblieben. Als er jedoch Lorenzos Hunger sah, waren alle anderen Gedanken wie weggewischt.
Von einem Moment zum nächsten wurde er zum Jäger, der darauf aus war zu töten.
Er machte einen Satz geradewegs auf Lorenzo zu, doch dieser war beinahe genauso schnell und viel besser als Balthazar auf einen Kampf vorbereitet. Er wich so geschickt aus, dass es schien, als ob er einfach an einem anderen Platz auftauchen würde. Balthazar versuchte, auf dem eisigen Boden das Gleichgewicht wiederzuerlangen, und schrie: »Skye! Verschwinde von hier!«
In diesem Augenblick hörte er Eb wiehern und sah, dass er Skye nicht sagen musste, was sie zu tun hatte. Sie war bereits wieder aufgestiegen und versuchte, ihr nervöses Pferd unter Kontrolle zu bringen. In dem Moment, als Lorenzo sie am Arm packen wollte, drückte sie Eb die Fersen in die Flanken, und das Pferd schoss in gestrecktem Galopp davon. Peppermint folgte. Das bedeutete, dass Balthazar ganz allein zurückblieb, aber er war durchaus in der Lage, sich zu verteidigen.
Balthazar griff nach der nächstbesten Waffe – einem schweren, herabgefallenen Ast – und schwang den Knüppel mit aller Kraft in Lorenzos Richtung. Lorenzo stürzte zu Boden. Das verschaffte Balthazar allerdings nur einen kurzen Vorteil, und außerdem war der Ast viel zu dick, um als Pflock benutzt zu werden. Was allerdings viel schlimmer war: Balthazar konnte hören, dass sich die anderen Vampire nicht in den Kampf einmischen würden. Sie verfolgten Skye.
Mit aller Macht sprang Balthazar, jedoch nicht in Lorenzos Richtung, sondern hinauf in die Baumwipfel. Damit war er erst mal außer Reichweite, und sofort setzte er sich in Bewegung; er sprang von Baum zu Baum, ohne zu wissen, ob Lorenzo ihm folgte. Aber das war ihm ohnehin egal. Skye war alles, was jetzt zählte.
Wo ist sie? Bitte, lass sie auf ihrem Pferd sitzen, gib ihr doch wenigstens eine Chance …
Selbst im Eifer der Verfolgung wusste Balthazar, dass er nicht derartig besorgt um Skye sein sollte. Dass er sich auf ihre Sicherheit konzentrieren sollte, nicht jedoch auf sein Verlangen, sie im Arm zu halten. Er war viel zu sehr von ihr vereinnahmt gewesen, als dass er gehört hätte, wie sich die anderen Vampire genähert hatten. Und was lernte er daraus?
Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für Selbstkritik. Jetzt zählte nur der Kampf.
Er sprang hoch in einen größeren Baum und befand sich nun gute zehn bis zwölf Meter über dem Boden, da entdeckte er sie endlich. Skye klammerte sich noch immer auf Ebs Rücken fest, und das dunkle Fell des Pferdes hob sich deutlich vom weißen Untergrund ab. Obwohl die beiden in vollem Galopp unterwegs waren, schlossen die Vampire auf. Wie viele waren ihr auf den Fersen? Drei? Nein, vier. Balthazar wusste, dass er Lorenzo nicht lange aufgehalten hatte. Er
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