Balthazar: Roman (German Edition)
wie eine Katze. Statt des schweren Mantels, den selbst Vampire in der beißenden Kälte bevorzugten, trug sie lediglich ein kurzärmeliges, weißes Kleid, das knapp über ihren Knien aufhörte. Ihre Beine waren nackt; sie trug hochhackige Schuhe, die vielleicht früher mal geglänzt hatten, nun jedoch abgewetzt waren. Balthazar gab sich nicht der Illusion hin, dass sie darin vielleicht nicht würde rennen können. Ihr blondes, lockiges Haar hing ihr offen den Rücken hinab, und einige Strähnen umspielten ihr Gesicht. Sie hatte sie erst vor Kurzem gewaschen, was selten genug bei ihr vorkam. Ihre Augen suchten unverwandt seinen Blick, als wäre sie ebenso verblüfft, ihm zu begegnen, wie es umgekehrt der Fall war.
Er brachte nur ein heiseres Flüstern zustande: »Charity.«
»Hallo, mein lieber Bruder.« Charity lächelte ihn unschuldig und liebenswürdig an, doch nur einen kurzen Moment lang. Dann verzog sich ihr Gesicht zu einer Grimasse: »Du rettest immer noch jedem das Leben, nur mir nicht.«
Schuldgefühle und Entsetzen lähmten Balthazar für einige Sekunden. Diese Augenblicke reichten aus. Charity ließ etwas auf seinen Kopf krachen. Er hatte nicht gesehen, dass sie irgendwas in der Hand hielt, doch was auch immer es war, es war aus Metall, schwer und lang. Sie schlug wieder zu und noch einmal, und jeder Hieb benebelte ihn weiter. Je mehr sein Kopf schmerzte, umso schwerer fiel es ihm, sich zu verteidigen oder nachzudenken.
Erneut versetzte sie ihm einen heftigen Schlag, und er taumelte zurück über den abschüssigen Boden. Schließlich stolperte er und rollte weiter. Zuerst war er dankbar, dass Charity einen Moment lang von ihm ablassen musste. Dann erinnerte er sich, dass der steile Abhang unter ihm zum Flussbett gehörte.
Wenn es irgendetwas gab, das Vampire noch mehr hassten als das Überqueren von fließenden Gewässern, dann war es, wie wir alle wissen, in Wasser einzutauchen.
Verzweifelt versuchte Balthazar, irgendetwas zu fassen zu bekommen, an dem er sich festhalten könnte, ganz gleich was, doch es war zu spät. Er segelte einen schrecklichen Augenblick lang durch die Luft und platschte mitten in die eiskalten Stromschnellen.
Und versank wie ein Stein.
16
Skye rannte, so schnell sie konnte. Sie hatte Seitenstechen, und jeder krampfhafte Atemzug war eisig in ihrer Lunge, aber sie mühte sich immer weiter. Eb stand nicht allzu weit entfernt und zitterte vor Angst. Wenn sie ihn nur so weit beruhigen könnte, dass er sie aufsitzen ließe, dann könnte sie den Kampf der Vampire, der hinter ihr tobte, nutzen und vom Schauplatz verschwinden.
Aber wo war Balthazar? Nur Sekunden, bevor Redgrave erschienen war, hatte sie ihn noch gesehen, aber seitdem nicht mehr. Ihm war hoffentlich nichts passiert, oder? Sie würden ihn doch wohl nicht pfählen oder ihm den Kopf abschlagen?
Ihre Sorge um Balthazar überwog ihre Angst um sich selbst, und Skye drehte sich um und hielt nach ihm Ausschau. Kurz darauf entdeckte sie ihn: Er wurde brutal von einer jungen Frau geschlagen, die wie ein nachlässig gekleidetes Schulmädchen aussah, in Wahrheit jedoch Vampir sein musste. Balthazar fiel rückwärts die Uferböschung hinunter, rutschte über die Steine und die Büsche und landete dann im Wasser.
Ob er schwimmen konnte? Irgendetwas gab es da mit Vampiren und fließendem Wasser, irgendetwas, das gar nicht gut war. Skye konnte sich nicht genau erinnern; sie konnte überhaupt keinen klaren Gedanken fassen, während ihr Herz hämmerte und ihr ganzer Körper schmerzte. Sie wusste lediglich, dass Balthazar sie nicht würde retten können. Stattdessen würde sie ihm zu Hilfe kommen müssen.
Skye rannte den restlichen Weg zu Eb, der abwartend dastand, aber noch immer äußerst nervös war. Selbst inmitten ihrer Panik dachte Skye daran, dass sie sich erst vergewissern musste, ob Eb jetzt noch jemanden auf seinem Rücken dulden würde. Das Einzige, was ihre Situation jetzt noch verschlimmern könnte, wäre, wenn sie in hohem Bogen abgeworfen oder von einem verängstigten Tier, das eine halbe Tonne wog, totgetrampelt werden würde. »Komm, mein Junge«, murmelte sie und streichelte ihm beruhigend über die Flanke. »Guter Junge. Du willst doch auch von hier weg, oder? Lass uns verschwinden. In Ordnung, Eb? Ja, das ist mein Junge.«
Er schien bereit; zwar war er nicht in bester Verfassung, aber es würde gehen, dachte Skye. Sie schob einen Fuß in den Steigbügel und zog sich in den Sattel. Eb stampfte einige Male mit
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