Baltrumer Bitter (German Edition)
anzudienen?«
Arnold nickte. »Die beiden hätten aber auch wirklich nicht
zusammengepasst, das musst du zugeben.«
Thea Holle lachte. »Klar. Besonders weil sie einen Kopf größer
ist als er. Ohne Absätze.«
»Wenigstens taugt er als Likörtester. Als ich gestern nach
meiner Räumaktion zu Hause wieder in den Betrieb gekommen bin, haben wir noch ein
Schlückchen genommen, und er hat wörtlich gesagt: ›Edel, ganz edel.‹ Das will
echt was heißen bei ihm. Er hat glatt nach einem zweiten Glas verlangt, obwohl
er das sonst nie macht. Und er hat – das musst du dir bei dem sonst so
zurückhaltenden Kerl mal vorstellen – einen Trinkspruch auf meine Familie ausgebracht.
So mit Glück, Gesundheit und all dem Zeug. Ich wusste gar nicht, wo ich
hinschauen sollte.« Arnold merkte, wie ihm bei dem Gedanken daran wieder Röte
ins Gesicht stieg.
»Aber lass man, bis auf seine kleinen Macken ist er ganz in
Ordnung«, sagte Thea Holle. »Was man von dem da«, sie nickte Richtung
Bürgermeisterzimmer, »nicht behaupten kann. Es wird täglich schlimmer. Wenn ich
nicht darauf hoffen würde, dass der im Herbst abgewählt wird, hätte ich schon
längst gekündigt.«
»Genau das habe ich mir auch schon überlegt. Übrigens, ich gehe
jetzt nach Hause. Soll er doch sagen, was er will. Heute Nachmittag bin ich
wieder da. Muss mich erst einmal abreagieren. Offiziell bin ich zur weiteren
Sturmschadensbehebung zu Hause, okay?«
Seine Kollegin nickte. »Alles klar. Bis später.«
Er stieg die Stufen hinunter zur Stempeluhr. Der Kollege aus
der Werbeabteilung – nee, rief Arnold sich zur Ordnung: Marketingabteilung –
wühlte in Stapeln von Baltrum-Prospekten.
»Noch ganz schön viel Reserve von diesem Jahr«, sagte Arnold
mit kritischem Blick.
»Das stimmt wohl. Da müssen wir uns was einfallen lassen«,
bestätigte der Mann. »Wir basteln gerade am Neuen. In drei Monaten, spätestens
zum Weihnachtsmarkt in Essen wird er auf dem Tisch liegen. Da müssen die alten
Bestände weg sein.«
»Und – gibt es schon bahnbrechend neue Anzeigen für das nächste
Jahr?«, fragte Arnold neugierig.
Sein Kollege schüttelte den Kopf. »Nein, nur das Übliche. Bis
auf – ach, eigentlich nicht wichtig.«
»Was denn? Erzähl schon«, sagte Arnold gespannt.
»Eigentlich nichts. Nur, gestern kam der Chef zu mir und sagte,
dass er vielleicht eine ganze Seite bräuchte. Für ein riesengroßes Projekt.
Wäre allerdings noch nicht spruchreif. Soll was im Ostdorf sein. Mehr konnte
ich leider nicht aus ihm rauskriegen. Wundert mich aber, dass so was dann nicht
in der Gemeinderatssitzung besprochen worden ist.«
Arnold zog seine Stempelkarte aus dem Automaten. »Du kennst
unseren Chef. Ratssitzungen finden nur alle halbe Jahr statt, und
Entscheidungen trifft er sowieso am liebsten allein. So, jetzt muss ich
wirklich. Bis später.«
Noch immer lagen die beiden Strandkörbe, die sonst den Gästen
als begehrte Ruhepunkte dienten, umgekippt in den Rosenbüschen vor dem Rathaus.
Allerdings lud das Wetter im Moment ohnehin nicht zum Sonnenbaden ein. Die
Sonne versteckte sich hinter dicken Wolken, die aus Nordwest heransegelten, und
es hatte sich merklich abgekühlt. Der Wind war aufgefrischt. Mit fröhlichem
Strandleben wird das heute sicher nichts werden , stellte er bedauernd fest.
Er freute sich immer, wenn die Gäste sich am Wasser austoben konnten. Allerdings
– so heiß wie in den letzten Tagen musste es auch nicht sein.
Als er an seinem Grundstück
ankam, sah er ein altersschwaches Fahrrad am Zaun lehnen. Ein Hund saß daneben,
die Leine am Lenker verknotet. Was macht Michael denn hier, überlegte er
erstaunt. Ist was passiert?
Die Haustür wurde geöffnet und Arnold sah, wie der Inselpolizist
sich verabschiedete. »Auf Wiedersehen, Frau Ufken. Wenn Ihr Freund kommt,
melden Sie sich bitte. Hallo, Arnold, bevor du mich jetzt fragst, was los ist:
Deine Frau wird es dir erzählen. Ich muss weg. Habe gerade einen Anruf
bekommen.« Damit schlängelte sich Michael Röder an ihm vorbei und war verschwunden.
»Was war das denn?«, fragte Arnold erstaunt.
»Keine Sorge. Nichts Schlimmes«, beruhigte ihn seine Frau.
»Herr Visser hat sein Portemonnaie verloren. Und da ich die Kurtaxanmeldung von
ihm und Frau Ufken gestern noch schnell in den Rathausbriefkasten geworfen
habe, konnte Michael sogar feststellen, wo Herr Visser wohnt. Praktisch, nicht?
Deshalb ist er hier vorbeigekommen und hat es zurückgebracht. Nun muss nur der
rechtmäßige
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