Baltrumer Bitter (German Edition)
Besitzer wieder auftauchen. Frau Ufken hat mir eben erzählt, er sei
zum Joggen.« Margot Steenken schaute auf die Uhr. »Gleich ist Ende der
Frühstückszeit. Bin jedoch sicher, dass er rechtzeitig da sein wird, denn ein
Tag ohne Frühstück ist kein Tag. Diese Einsicht liegt bei Männern in den Genen,
nicht, Frau Ufken? Betrifft übrigens auch das Mittagessen und das Abendessen.«
Klara Ufken lächelte. Aber das Lächeln kam bei Arnold Steenken
nicht an. Sie war ganz blass, sah elend aus. Machte sie sich Sorgen? Wenn ja, worüber?
»Ich hoffe, das gestrige Unwetter hat Sie nicht allzu sehr erschreckt«,
versuchte er eine Unterhaltung.
»Nein, nein. Alles in Ordnung. Ich werde gleich einen
Spaziergang machen. Vielleicht läuft mir Frank über den Weg. Im wahrsten Sinne
des Wortes. Wenn er joggt, vergisst er gerne die Zeit.«
Arnold Steenken nickte. »Er wird schon nicht verloren gegangen
sein. Wäre das erste Mal hier auf der Insel.«
In der Küche angekommen schaute er seine Frau verwundert an.
»Irgendwie passt da was nicht zusammen. Die kommen hier als verliebtes Paar an,
und er geht abends alleine aus? Dann verliert der sein Portemonnaie und das
fällt ihm morgens beim Anziehen nicht auf?«
»Der ist doch in Joggingklamotten losgelaufen und nicht in den
Sachen von gestern. Kann gut sein, dass er es gar nicht bemerkt hat. Und seine
Freundin – vielleicht war sie gestern einfach müde. Wäre nicht das erste Mal,
dass hier ein Mann alleine auf Tour geht. Du bist schließlich ebenfalls
unterwegs gewesen und hast deine dich zärtliche liebende Frau …«
»So ’n Blödsinn!« Er lachte. »Ich war in Sachen Wählergemeinschaft
unterwegs und nicht in der Kneipe. Ruf Thorsten an. Der wird dir bestätigen,
dass ich bei ihm war.«
»Dafür, dass das nur eine
Sitzungsvorbereitung war, hast du es aber ziemlich lange ausgehalten. Ich habe
jedenfalls schon geschlafen, wie du bestimmt gemerkt hast.«
Arnolds Lachen war eingefroren. Er liebte seine Frau sehr, doch
wenn sie so anfing, dann konnte es in eine langwierige Diskussion ausarten. Und
darauf hatte er im Moment nun gar keinen Bock. Sein Chef hatte ihn schon genug
genervt an diesem Morgen. Er war nicht nach Hause gefahren, um sich dort wieder
mit irgendwelchen überflüssigen Vermutungen herumzuschlagen.
Außerdem fiel ihm schon seit einigen Minuten auf, dass Hilda
sich seltsam benahm. Sah seine Frau das denn nicht? Hilda wischte
ununterbrochen mit dem feuchten Spültuch über die Anrichte. Gut, das tat sie
sonst auch, aber nicht mit solch einer Energie, oder – Wut – oder – er konnte
es nicht in Worte fassen. Sie lächelte verhalten. Wie meistens. Doch er hatte
das Gefühl, dass ihr Körper eine unheilvolle Kraft ausstrahlte. Etwas
Bedrohliches ging von ihr aus, das sich Luft zu verschaffen suchte. Bedrohlich,
weil er es nicht erklären konnte. Und wieder dachte er: Dass Margot das nicht bemerkt
…
*
Jan Wybrands schaute verwundert auf den Anleger. Weder Frank
noch seine Mitarbeiterin Klara Ufken waren zu sehen. Er zeigte seine Fahrkarte
vor und verließ die Baltrum I in einem Strom von Menschen, die in kurzen
Hosen, leichten Tops und Rucksäcken auf den meist sonnenverbrannten Schultern
dem Strand zustrebten. Einige von ihnen blieben stehen, sobald sie das Schiff
verlassen hatten, und wühlten in ihrem Gepäck. Gedankenverloren schaute er sich
die Szenerie an und sah, dass die meisten nach irgendeinem wärmenden Kleidungsstück
suchten, denn im Gegensatz zum Vortag war es ungemütlich kalt. Er wünschte
ihnen Glück, dass die Sonne doch noch herauskam und sich die Insel im besten
Licht zeigte. Begeisterte Tagesgäste kamen wieder. Blieben länger. Ließen beim
Wiederkommen Geld da und die Bestätigung, die Insulaner und Auswärtige
brauchten, um zu investieren. Das war sein Geschäft.
Zügig lief er aus dem Gewühl, um sich Überblick zu verschaffen.
Auch in der Reihe der Insulaner, die mit ihren Schildern auf der Brust auf ihre
Gäste warteten, konnte er seine Mitarbeiter nicht ausfindig machen. Er schaute
die Hafenstraße hinunter. Hatten die beiden die Zeit verpasst? Was nun? Sollte
er sie anrufen? Nein. Er hatte keine Lust, hinter den beiden herzutelefonieren.
Den Anschiss würden sie noch früh genug bekommen!
Ob Dunja zu erreichen war?
Oder doch erst der Bürgermeister? Zwar hatte er nicht die geringste Lust, sich
mit diesem Kerl zu unterhalten, aber wenn er das Projekt weiterverfolgen
wollte, blieb ihm kaum was anderes übrig, als sich der
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