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Baltrumer Bitter (German Edition)

Baltrumer Bitter (German Edition)

Titel: Baltrumer Bitter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Barow
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Himmel, Sonne und der Fähre. Er überlegte, was die Bilder so
beeindruckend machte. Es musste wohl der Blickwinkel sein. Georg Hanefeld hatte
offensichtlich ein ganz besonderes Gespür für den Moment, der aus einem Foto
ein Kunstwerk machte.
    Wybrands lehnte sich an die neu glänzende Arbeitsplatte und
genoss Schluck für Schluck. Ein Geräusch ließ ihn aufhorchen. Was war das für
ein Rumoren im Obergeschoss? Er hörte das Bett quietschen. Eine Tür schlagen.
Kräftige Schritte. Dann Tritte auf den Stufen. Das gab es doch nicht. Hanefeld
lag krank im Bett. Wer also kam da die Treppe herunter? Irritiert öffnete er
die Küchentür. Hanefeld. Da stand der ach so kranke Hanefeld im Flur und
öffnete gerade die Haustür. Sekunden später war der Mann verschwunden. Ja,
sind die denn jetzt alle bekloppt geworden? , wunderte sich Wybrands und
stellte die Tasse ab. Langsam habe ich die Schnauze voll. Wofür halten die
mich denn? Nicht mit mir, meine Lieben!
    Aufgebracht verließ Wybrands ebenfalls Hanefelds Haus.
Vielleicht erwischte er den Mann noch und konnte sich nach dem Grund für dessen
seltsames Verhalten erkundigen.
    Aber Hanefeld war weit und breit nicht mehr zu sehen. Was nun?
Wybrands überlegte kurz, dann schlug er den Weg zu den drei Insulanerhäusern
ein, die vielleicht in absehbarer Zeit einem großen Projekt – seinem größten! –
weichen mussten. Als er den Friedhof hinter sich gelassen hatte, dauerte es
nicht mehr lange, bis er die welligen Dünen am Ende des Ostdorfes erreicht
hatte. Da hinein schmiegten sich die drei Häuschen, die ihre besten Tage
bereits gesehen hatten. Dies ließ sich auch ohne große Bauanalyse feststellen.
    Nicht schlecht, die Lage. Die Aussicht aus den Hotelfenstern –
einen Moment sah er das Hotel bereits fix und fertig vor sich – wäre
einzigartig. Nach Norden erstreckte sich bis zum Strand nichts als unberührte
Natur, nach Süden der Heller und das Wattenmeer. In der Ferne konnte man das
Festland mit dem Neßmersieler Hafen und weiter links sogar den Kirchturm von
Esens erkennen. Dazwischen drehten sich einige Windräder. Auch die waren aus
der ostfriesischen Landschaft nicht mehr wegzudenken. Nicht schön, aber man
musste damit leben.
    Eines der Häuser schien noch in einem etwas besseren Zustand zu
sein. Laut Plan war es keines der beiden Häuser von Pallmann, sondern das Haus
von Steenken, Hanefelds Arbeitskollegen. Die Scheiben waren durch Sand und
Salz, vom Seewind unablässig herangetrieben, stark verkrustet. Durch einen
milchigen Schleier sah Wybrands Mobiliar aus den Sechzigern. Eine Zeitung lag
auf einem großen alten Eichentisch. Alles in allem machte der Raum einen verlassenen
Eindruck.
    Er schritt um das Haus herum, dann zu den anderen beiden, blieb
stehen, schloss die Augen und genoss die Stille, die sich um ihn ausbreitete.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er eine kleine einmotorige Cessna, die
sich dem Flugplatz näherte. Im gleichen Moment schoss unter ohrenbetäubendem
Gekreische ein gewaltiger Schwarm Lachmöwen von den Hellerwiesen auf,
vereinigte sich zu einer geschlossenen Wolke schwarz-weißer kleiner Leiber, um
nach einigen aufgeregten Flugrunden wieder wie mit einem einzigen Flügelschlag
ihren Platz auf dem Heller einzunehmen. Wybrands horchte, wartete auf das
Nachlassen des Lärms. Aber die krächzenden Rufe hallten noch über die
Salzwiesen, lange nachdem die Vögel sich niedergelassen hatten. Warum hatte er
dieses Inferno vorher nie gehört? Nicht hören wollen? Er war doch oft genug auf
der Insel. Ich habe es wohl nicht hören müssen, dachte er verstimmt.
    Es gab nur zwei Möglichkeiten. Entweder musste dieses
nervtötende Gekreische seinen Gästen als ultimatives Naturerlebnis vermittelt werden,
oder die Ursache des Lärms musste beseitigt werden.
    Seine nächste Aufgabe wäre
herauszufinden, wann die Möwen die Insel besetzten, wann sie – wenn
überhaupt – die Insel wieder verließen und wie man das Viehzeug loswerden
konnte. Große Projekte erforderten eben große Lösungen. Es wäre nicht das erste
Mal, dass er sich dem stellen musste. Allerdings war ihm klar, dass die Fuzzis
vom Nationalpark Schwierigkeiten haben würden, sich seinen Ideen von einer
lebenswerten Insel anzuschließen.
    Jan Wybrands klemmte seine Aktentasche unter den Arm und ging
zurück ins Westdorf. Gleich eins. Er wunderte sich, wie schnell die Zeit seit
seiner Ankunft heute Morgen vergangen war. Gleich eins hieß, dass sich der
Bürgermeister vermutlich

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