Baltrumer Bitter (German Edition)
Unterstützung Lohmanns
zu versichern.
Vielleicht sollte er zuerst mit Hanefeld reden, seinem treuen
Vasallen, der ihm nach der Renovierung seines Hauses ein Gespräch kaum
abschlagen konnte. Hoffentlich war der wieder einigermaßen gesund und steckte
ihn nicht an. Wybrands zog sein Handy aus der Tasche.
»Herr Hanefeld, Sie sind zu Hause? Nicht im Büro? Na gut. Ich
bin in einer Viertelstunde bei Ihnen. Setzen Sie schon mal einen Kaffee auf.«
So, das war’s. Sollten seine Leute eben warten. Letztendlich
würde das Projekt wie immer in seinen Händen liegen. Seinem neu erworbenen Sohn
fehlte mindestens noch ein Jahr Einarbeitungszeit, bis er den so weit hätte,
dass der firmendienlich funktionierte. Den nötigen Biss hatte Frank allerdings
durchaus. Nur noch nicht die Ausstrahlung. Diese Vertrauen schaffende Präsenz
gegenüber ihren Geschäftspartnern. Vielleicht liegt es einfach an seinem jugendlichen
Alter, überlegte Wybrands, als er am Nationalparkhaus rechts ab Richtung
Ostdorf bog. Er konnte Frank in der kurzen Zeit, seit der an seine Tür geklopft
hatte, einfach noch nicht richtig einordnen.
Im Gegensatz zu Klara. Sie war in den letzten drei Jahren zu
einer wichtigen und zuverlässigen Mitarbeiterin gereift. Dass sie nicht am
Hafen erschienen war, blieb ihm ein Rätsel. Was war da vorgefallen? Er war
äußerst gespannt auf die Erklärung. Aber nun würde er erst einmal Hanefeld
einen Besuch abstatten. Vorabinformationen konnten bei einem Gespräch mit dem
Bürgermeister äußerst nützlich sein.
Auf dem Weg dorthin sah er überall die Spuren, die das Unwetter
hinterlassen hatte. Fast durch jedes Dach schimmerte an der einen oder anderen
Stelle ein Stück des Himmels. Kleinere Äste waren über die Grundstücke
verteilt. Der Sturm musste hier ganz schön zugeschlagen haben. Bei sich zu
Hause in Aurich hatte es fast gar keine Schäden gegeben. In Emden und Leer
dagegen hatte der Tornado ebenfalls eine Spur der Verwüstung hinterlassen. So
hatten zumindest die Ostfriesischen Nachrichten berichtet.
Vor der Gartenpforte blieb er stehen und schaute sich zufrieden
um. Schön war das kleine Haus geworden. Der Sturm hatte das Haus verschont. Nur
im Garten lagen noch ein paar herabgefallene Äste.
Er hatte Hanefeld gerne geholfen, als der sich mit der Bitte um
kostengünstige Renovierung seines Elternhauses an ihn gewandt hatte. Nun gut,
kostengünstig war es geworden. Zumindest für Hanefeld. Er, Wybrands, hatte
einen Teil der Rechnung für sich als Werbungskosten abgehakt. So hatte er einen
neuen Freund gewonnen. Nicht unwichtig heutzutage, dachte er wieder einmal. Er
hatte, gut verteilt im norddeutschen Raum, eine wohldosierte Anzahl Freunde.
Eine Investition, die sich rechnete.
Schon an der Haustür schlug ihm der Duft frischen Kaffees
entgegen. »Herr Hanefeld? Sind Sie da?« Wybrands blieb stehen. Im Haus war es
totenstill, bis auf das Zischen der Kaffeemaschine. »Herr Hanefeld?« Wieder
lauschte er.
Er hörte ein leises Röcheln aus dem oberen Stockwerk. Wybrands
stieg die Treppe hoch, rief noch einmal, dann endlich hörte er Hanefelds
Stimme. »Ich bin hier. Im Schlafzimmer. Mir geht es nicht gut.«
Als Wybrands das richtige Zimmer gefunden hatte, sah er den
Mann mit bis zum Kinn hochgezogener Decke im Bett liegen. Sein Kopf wies eine ungesunde
Röte auf. »Ich habe Kaffee gemacht, aber dann wurde mir wieder schwindelig. Tut
mir leid. Bedienen Sie sich. Ich muss liegen bleiben.«
»Dann haben Sie jetzt wohl
keinen Nerv, mir Neues über die Wählergruppe ihres Kollegen Steenken zu
erzählen?«
Hanefeld schloss die Augen. Dann berichtete er mit leiser
Stimme noch einmal genau, was er von Arnold Steenken erfahren hatte. Und von
seiner Vermutung, dass sich Steenken um das Amt des Bürgermeisters bewerben
wolle. Mitten im Gespräch brach er jedoch ab. Seine Stimme verlor sich unter
der Bettdecke. Wybrands war klar, dass mit dem Mann in diesem Zustand nicht zu
reden war. Er winkte ab. »Komme später noch mal vorbei. Ruhen Sie sich aus.«
Er verabschiedete sich und beschloss, einen Umweg über die
Küche zu machen. Zu verlockend stieg ihm der Kaffeeduft in die Nase. Wo er ihn
extra für mich zubereitet hat, dachte er zufrieden, da muss ich doch glatt ein
Tässchen nehmen. Er stellte seine Aktenmappe auf den Fußboden und goss sich
einen Kaffee ein. Sein Blick fiel auf mehrere Schwarz-Weiß-Fotografien, die den
Hafen in einem ganz anderen Zusammenhang zeigten als die üblichen Farbfotos mit
blauem
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