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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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ließen sich nicht vertreiben. Schließlich weinte sie sich völlig erschöpft in den Schlaf.

27
    Benno fror, und das war ihm recht so. Nach einer schlaflosen Nacht erweckte die Kälte, die unter seine Haut kroch, wenigstens eine Ahnung davon, dass er noch lebendig war. Viel war es nicht. Benno stand im Schlafanzug auf seinem Balkon und schaute nach Osten, wo über dem Jura ein Hauch von Helligkeit die Kante des »Gebürgs« sichtbar werden ließ. Der Silberrand dort am Horizont schien ihm wie der Rand der tiefen Grube, in der er sich verloren hatte. Ihm war, als hätte ihn die Fähigkeit verlassen, Konturen wahrzunehmen. Er umklammerte das Geländer, bis es wehtat.
    Während er sich anzog, hörte er Nachrichten. Als diese von Musik abgelöst wurden, griff er schon nach der Fernbedienung, um abzuschalten. Doch plötzlich drangen einige der Textzeilen zu ihm durch und hakten sich in ihm fest.
    Â»Ich fühl mich unbewohnt. Keine Blumen im Fenster, der Fernseher ohne Bild und Ton …«, sangen Herbert Grönemeyer und eine klagende Klarinette. Das traf ihn.
    Und beim nächsten Lied biss er die Zähne zusammen, um den Tränen keine Chance zu geben, und zog seinen Schuhbändel so fest zu, dass ein Stück davon abriss.
    Â»Ist jemand da, wenn dein Flügel bricht, der ihn für dich schient, der dich beschützt, der für dich wacht, dich auf Wolken trägt, für dich die Sterne zählt, wenn du schläfst?«
    Nur das hatte er doch gewollt: sie auf Wolken tragen, für sie die Sterne zählen. Was war daran falsch, verdammt, was war daran falsch?
    Benno schaltete die Kaffeemaschine an und befahl sich, kein Weichei zu sein. Also gab er sich Mühe, sich auf das zweite Problem zu konzentrieren, das ihn diese Nacht wach gehalten hatte.
    Die Berichte über die verschiedenen Ermittlungsabschnitte in der Sitzung der Soko gestern Abend hatten nicht viel Neues über das hinaus gebracht, was er schon wusste, hatten aber sein vages Gefühl verstärkt, sich in einer Sackgasse zu befinden. Und am Ende dieser Gasse hing unübersehbar jener seltsame Zettel, den der Tote aus dem Hain in seinen Händen gehalten hatte: »Lebenslanges Leid dem Verräter«. Er setzte sich mit seinem Kaffee und einem Notizblock an den Küchentisch und versuchte, seine Überlegungen zu systematisieren.
    Wenn der Mörder der unbekannte Drogendealer war, warum hatte der seinem Opfer A) diesen Zettel in die Hand gedrückt und B) ihm das Geld nicht abgenommen?
    Wenn er es aber nicht war, blieb nach bisherigem Kenntnisstand nur Charly Baumann. Er war bisher, außer Kostners Mutter, auch der Einzige, der eine engere emotionale Bindung an den Ermordeten hatte. Und genau das implizierte ja dieser eigenartige Text: dass Kostners Tod ein »lebenslanges Leid« für irgendjemanden bedeutete. Aber wenn Charly Baumann Martin Kostner umgebracht hatte, musste es im Hintergrund noch eine weitere Person geben, zu der sowohl Baumann als auch Kostner eine Beziehung gehabt hatten. Diese Dreiecksbeziehung hätte dann also mit etwas geendet, das Baumann als Verrat empfunden hatte, als so schlimmen Verrat, dass er dafür seinen Freund Martin »opferte«. Ob da ein homosexueller Konflikt im Spiel war?
    Möglich wäre es, doch zufrieden war Benno mit dieser Lösung nicht. Sie knirschte. Irgendetwas war seltsam an dem Ganzen. Aber wo sollte man ansetzen? Jedenfalls musste er noch mehr über das Umfeld von Martin Kostner und Charly Baumann erfahren. Vater und Mutter Kostner mussten von den Ermittlern noch einmal intensiv nach der Beziehung der beiden und nach weiteren Freunden und Freundinnen befragt werden. Auch die Arbeitskollegen und jede weitere auffindbare Kontaktperson waren zu vernehmen. Es gab eine Menge Arbeit. Er rief Werner auf dem Handy an.
    Â»Guten Morgen. Wo erwische ich dich gerade?«
    Â»Am Schreibtisch, wie sich das für einen ordentlichen Polizisten gehört. Ich plane gerade die Tagesorganisation.«
    Â»So früh schon?«
    Â»Na hör mal, ich bin schon seit sechs Uhr im Büro. Einen Fall wie diesen haben wir ja schließlich nicht jeden Tag. Was gibt’s denn, Herr Staatsanwalt?«
    Benno erläuterte seine Überlegungen. Werner machte zwischendurch immer wieder zustimmend »Hm, hm«, doch bei dem homosexuellen Szenario ließ er ein skeptisches »Tz« hören.
    Â»Wie passt da denn Tanja Steinhübel

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