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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Schwierigkeiten. Man hat ihm nicht geglaubt, dass er von der ganzen Sache nichts gewusst hat, und hat ihn immer wieder verhört. Das muss ihn furchtbar getroffen haben, denn er hat es mir ungefragt gleich mehrmals erzählt. Und hinterher hat er sich umso korrekter benommen, um diese Scharte auszuwetzen.«
    Â»Aber trotzdem … dass er trotz alledem diesem Staat weiter gedient hat. Was für ein Mensch muss das denn sein?«
    Â»Ach, weißt du, ich bin sehr vorsichtig geworden mit meinen Urteilen. Wir tun uns leicht, weil wir ja nie in solch einer Situation entscheiden mussten. Vielleicht hoffte er ja auch, später der Frau und der Tochter seines Bruders helfen zu können. Das hat er zumindest angedeutet.«
    Â»Und, hat er’s getan?«
    Â»Das weiß ich nicht. Aber er hat die uneheliche Tochter seines Bruders aufgenommen und großgezogen.«
    Â»Franz Novak hatte ein uneheliches Kind?«
    Hanna nahm sich ein Stückchen Camembert mit einer Nuss und spülte mit einem Schluck Weißwein hinterher. Sie versuchte, sich auf den Geschmack und das Gespräch zu konzentrieren, was ihr zunehmend schwerer fiel. Die Müdigkeit zog ihr vom Nacken über die Kopfhaut in die Augen.
    Â»Ja. Wegen der Alimente gab es heftigen Streit zwischen Franz Novak und seiner Frau.«
    Â»Und was ist aus diesem Kind geworden?«
    Â»Das Kind ist inzwischen sechsundvierzig. Rita Gerstner …«
    Â»Gerstner? Nicht Novak?«
    Â»Sie heißt nach ihrer leiblichen Mutter. Wilhelm Novak hat sie nie adoptiert. Ich glaube, zunächst wollte die Mutter das nicht und dann wohl Wilhelm Novak nicht mehr. Es scheint ein kompliziertes Verhältnis zwischen ihm und seiner Ziehtochter gewesen zu sein.«
    Â»Wieso?«
    Â»Ich weiß es nicht. Ich habe das nur aus ein paar Andeutungen geschlossen, aber eigentlich haben sich beide über diesen Punkt ausgeschwiegen.«
    Â»Beide? Du hast auch diese Frau Gerstner besucht?«
    Â»Ja sicher. Wenn ich erfahren will, wie sich das Schicksal von Franz Novak auf die betroffenen Angehörigen ausgewirkt hat, sind seine Kinder natürlich die erste Adresse.«
    Â»Wann warst du denn …? Das hast du mir gar nicht erzählt. Wohnt die hier?«
    Â»Nein, in Nürnberg, wie ihre Halbschwester, Lieselotte Stolz. Nach der Wende sind beide herübergekommen, Frau Gerstner ist dann allerdings lange im Ausland gewesen. Unglücklicherweise war Frau Stolz gerade an dem Tag vor zwei Wochen, als ich mit Rita Gerstner einen Termin ausgemacht hatte, nicht zu Hause. Jetzt muss ich morgen noch mal hinfahren.«
    Hanna versuchte hinter vorgehaltener Hand, ein Gähnen zu unterdrücken. »Und wie ist sie so?«
    Â»Rita Gerstner? Attraktiv. Sehr schlank, elegant angezogen, stark geschminkt. Sie sieht immer noch sehr gut aus. Und das weiß sie auch. Aber wenn man genau hinschaut, sieht man unter der Schminke, dass sie zu viel raucht, und so was wie … wie Bitterkeit, so ein unangenehmer Zug um den Mund. Sie sieht ihrem Vater sehr ähnlich. Das scheint ihr enorm wichtig zu sein. Sie hat ein vergrößertes Foto ihres Vaters neben dem Flurspiegel hängen. In der Wohnung hingen überhaupt auffallend viele Spiegel, überall.«
    Â»Und was hat sie denn nun von ihrem Vater erzählt?«
    Â»Wenig Konkretes. Sie hat ihn ja auch nicht gekannt. Der wurde ja hingerichtet, da war Rita Gerstner erst wenige Monate alt. Dennoch scheint dieser Vater für sie eine große Rolle zu spielen. Oben an den Wänden in ihrem Wohnzimmer hängen zum Beispiel lauter Geweihe oder Gehörne oder wie das heißt, von Tieren, die ihr Vater geschossen und die er damals bei seiner Flucht in den Westen mitgenommen hat. Darunter stehen jede Menge elektronische Geräte – sie muss ein Technikfreak sein – und obendrüber diese Geweihe. Sieht bizarr aus, das Ganze, irgendwie … verrückt.«
    Â»Hat der Besuch dir denn etwas gebracht für deine Arbeit?«
    Â»Ich weiß nicht. Ich werde nicht recht schlau aus der Frau. Zunächst war sie ungemein liebenswürdig und charmant und witzig, aber nach einer Weile bekommt man das Gefühl, als ob man gar nicht vorhanden wäre oder als ob sie einen nicht richtig wahrnähme. Man kommt sich vor wie … als wäre man nur das Publikum, vor dem sie die große Dame spielt. Wenn man sie hört, denkt man, sie sei Coco Chanel persönlich, dabei ist sie

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