Bamberger Verrat
Seufzer aus. »Wenn die mal rauskriegt, wo Hans Kromm lebt, wenn sie âºden Verräter erwischtâ¹, wie sie das nennt, dann, pfhhh, gute Nacht. Und, ich weià nicht, aber ich meine, sie hat irgendwas rausgekriegt. Sie war in den letzten zwei Wochen so komisch, wie elektrisiert, sie â¦Â«
Kunigunde hörte den Rest des Satzes nicht mehr. Angst sprang in ihr auf, wölbte den Rücken und nahm ihr den Atem. Vor vierzehn Tagen war sie bei Rita Gerstner gewesen und hatte sie interviewt. Hatte sie irgendetwas gesagt, das darauf hinwies, dass die Familie von Hans Kromm jetzt in Bamberg wohnte oder dass er dort im Gefängnis sa� Sie versuchte angestrengt, sich an das Gespräch zu erinnern. Sie hatte Rita Gerstner doch nur zu ihr selbst befragt, zu ihrer Kindheit und ihren Erinnerungen an ihren Vater und an die Grenze. Doch, natürlich, sie hatten über Hans Kromm gesprochen, über den Prozess, und Rita Gerstner hatte sich ebenfalls über das Urteil aufgeregt. Aber sie, Kunigunde, hatte doch nichts gesagt über Hans Kromms jetzigen Aufenthaltsort, oder?
Und dann fiel ihr ein, was passiert sein musste. Sie hatte eine Liste der Namen und Adressen ihrer Interviewpartner in den Vorderdeckel ihres Aktenordners geklebt, darunter auch »Hans Kromm und Patricia Baumann-Kromm, Sieboldstr. 25, 96  050 Bamberg«.
Der hatte auf dem Tisch gelegen, an dem sie mit Rita Gerstner während ihres Gesprächs saÃ. Und einmal hatte sie kurz den Raum verlassen, weil ihr Kuli leer war und sie sich aus ihrer Manteltasche einen neuen Stift geholt hatte.
Kunigunde bemerkte erst, dass Frau Stolz ihr eine Frage gestellt hatte, als diese ihre Hand ergriff. »Ist Ihnen nicht gut, Frau Buchner? Sie sehen ganz blass aus. Warten Sie, ich hole Ihnen ein Glas Wasser.«
Während sie das kalte Wasser trank, lieà die Panik, die in ihr hochgeschossen war, etwas nach, und sie konnte wieder etwas klarer denken.
Sie stellte das Aufnahmegerät ab und sagte zögernd: »Frau Stolz, könnten Sie bitte Ihre Halbschwester anrufen und ihr sagen â«
»Das ist ja das Komische«, unterbrach Lieselotte Stolz sie. »Ich versuche seit drei Tagen vergeblich, sie zu erreichen. Sie geht weder daheim ans Telefon noch an ihr Handy. Wir haben ja sonst nicht so viel Kontakt, aber ich müsste eine dringende finanzielle Angelegenheit mit ihr besprechen. Doch ich erreiche sie einfach nicht.«
Ein schrecklicher Verdacht machte sich in Kunigunde breit. Der Rest des Wassers aus dem Glas, das sie gerade leer trinken wollte, landete auf ihrer Bluse. »Um Gottes willen. Frau Stolz, ich ⦠ich â¦Â« Kunigunde fiel es schwer, weiterzusprechen. »Es könnte sein, dass Ihre Schwester versehentlich durch mich erfahren hat, wo Hans Kromm lebt. Gott sei Dank ist Kromm momentan im Gefängnis und dort wohl sicher, aber â¦Â«
»Wieso ist der im Gefängnis? Er hat doch damals Bewährung bekommen?«
»Er hat einen Versicherungsbetrug begangen und ist zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden.«
»Was?« Lieselotte Stolz starrte sie fassungslos an. »Für einen Versicherungsbetrug kriegt er drei Jahre, und dafür, dass er zwei Menschenleben zerstört hat, kriegt er Bewährung?«
Sie schlug die Hände vors Gesicht und keuchte.
»Bitte, Frau Stolz, hören Sie mir zu!« Kunigunde hätte Lieselotte Stolz am liebsten geschüttelt. »Ich muss unbedingt mit Ihrer Halbschwester sprechen. Wenn Sie sie erreichen, sagen Sie ihr bitte, sie soll mich anrufen? Bitte!«
»Ja, ja«, antwortete Lieselotte Stolz tonlos.
Danach war nicht mehr viel zu sagen.
Auf dem Weg zum Bahnhof sah Kunigunde an einem Kiosk die Bild-Zeitung mit der fetten Ãberschrift »Mord im Hain« und fragte sich im Vorübergehen, in welchem idyllischen Wäldchen dieser Mord wohl stattgefunden habe.
Doch die Information verschwand sofort wieder aus ihrem Bewusstsein, denn sie überlegte krampfhaft, was sie denn tun könnte. Das Gefühl drohender Gefahr schnürte ihr die Kehle zu und wurde immer stärker. Sie wusste, sie wusste ganz einfach, dass sie etwas tun müsste, aber was?
Selbst wenn Rita Gerstner sie anrufen würde, was sollte sie ihr denn sagen? Sie kam sich vor wie eine auf den Rücken gefallene Schildkröte, hilflos wie selten in ihrem Leben. Erst als sie in den Zug stieg, kam ihr eine Idee: Sie musste Benno anrufen. Wenn
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