Bambule am Boul Mich
waren. Aber keiner von
ihnen konnte bisher überführt werden, am Mord an Inspektor Masoultre beteiligt
gewesen zu sein.
Marc Covet und seine Kollegen
aus der Pressewelt hatten bisher meine Sonntagsruhe respektiert. Aber nicht
mehr lange. Der Crépuscule kündigte nämlich für bald eine Erklärung von
mir zu dem ganzen Wirbel an. Das war garantiert Marc Covet. Hatte mich nicht
mal gefragt. Besser, ich ging diesen Geiern aus dem Weg und verschwand so
schnell wie möglich aus meiner Wohnung.
Vorher rief ich noch Faroux an.
Wollte wissen, wo mein Auto stand. Wie vorauszusehen, war es abgeschleppt
worden, zusammen mit dem Oldtimer von Toussaint Lanouvelle. Samstag war wohl
Großreinemachen in der Gegend.
Ich ging zur angegebenen
Autosammeistelle. Auf dem Boul’ Mich’ tauchte ich in der buntgemischten
Menschenmenge unter.
Den ganzen Morgen über
versuchte ich, Dr. Leverrier zu erreichen, aber immer ohne Erfolg. Ein Glück,
daß ich seine ärztliche Hilfe nicht brauchte. Ich hätte inzwischen mausetot
sein können. Nachmittags dasselbe. Wenn das so weiterging, mußte er noch lange
auf sein Buch warten. Um acht Uhr abends hatte ich die Schnauze voll.
Ich parkte meine Wagen am
Anfang der Rue Henri-Barbusse und ging hoch zu Leverriers Wohnung. Das ältliche
Dienstmädchen öffnete mir die Tür. Dr. Leverrier? Oh, der ist nicht zu Hause.
Nein, Monsieur. Monsieur hat eine Verabredung zum Abendessen und ist schon
fortgegangen. Wohin? Ich fragte die gute Frau erst gar nicht. Konnte mir’s
schon denken.
Rue Pierre-Nicole. Die Frau, die
mir in der Villa öffnete, gehörte offensichtlich derselben Kategorie an wie
Leverriers Dienstmädchen.
„Zu Dr. Leverrier, bitte.“
„Er ist nicht hier, Monsieur.“
„Weiß ich. Das Gegenteil hätte
mich überrascht. Wissen sie, wann er zurückkommt? Er ißt mit Madame Darbaud zu
Abend, nicht wahr?“
„Ja, Monsieur. Bei Freunden.
Sie werden bestimmt gegen elf zurückkommen.“
Ich schlug die Zeit bis elf Uhr
tot, so gut es ging. Mit meinen roten Kaninchenaugen kam Kino für mich nicht in
Frage. Also machte ich einen Zug durch die Bistros.
Die schwarze Limousine kam vom
Boulevard de Port-Royal. Das Straßenpflaster war etwas schmierig geworden. Seit
ich Posten bezogen hatte, nieselte es leicht. Im Moment hatte es mal aufgehört,
aber gleich würde es wieder anfangen. Ein böses Vorzeichen für die Nacht. Für
diese Nacht gab es mehrere böse Vorzeichen. Der Wagen hielt vor der Villa. Ein
Mann stieg aus, half seiner Begleiterin. Die Frau ging eilig ins Haus. Ich
meinte, das Rascheln ihres Abendkleides zu hören. Aber das bildet man sich nur
so ein. Die Haustür schloß sich hinter dem Paar. Die Außenbeleuchtung wurde
ausgeschaltet. Dafür ging oben ein anderes Licht an, hinter den Gardinen eines
Atelierfensters.
Ich sah auf die Uhr. Elf.
Offensichtlich ruhige, friedliche Leute, ordentlich und korrekt. Und jetzt kam
der schlecht erzogene Nestor Burma und störte ihre Ruhe.
Ich wartete noch fünf Minuten.
Klopfte meine Pfeife aus, steckte sie ein, stieg aus dem Wagen und ging zur
Villa. Ich läutete. Diesmal wurde die Tür nicht geöffnet, sondern nur ein
Kläppchen, durch das ich begutachtet wurde.
„Zu Dr. Leverrier, bitte“,
sagte ich. „Es ist dringend.“
„Oh! Ist jemand krank?“
„Kann man so sagen. Sagen Sie
dem Doktor, Nestor Burma sei hier. Und sagen Sie ihm, es sei sehr wichtig, ich
müsse ihn unbedingt sprechen.“
Die Klappe fiel wieder.
„Hier entlang, bitte,
Monsieur“, sagte zwei Minuten später die Frau zu mir.
Ich folgte ihr über einen
schönen roten Teppich die schmale Treppe hinauf. An den Wänden hingen Bilder
hinter Glas. Oben gingen wir durch einen kleinen Flur, dann wurde ich in das
Atelier geführt. Wenige, aber schöne Möbel, Bilder, Wandbehänge, ein Flügel.
Geschickte Beleuchtung. Dr. Leverrier kam auf mich zu.
„Ich bin ein wenig erstaunt
über Ihren Besuch“, sagte er. „Was ist passiert? Ich hab in der Zeitung
gelesen, daß... Wie zum Teufel haben Sie mich eigentlich hier gefunden?“
Ich lächelte.
„Ich bin Detektiv...“
„Ja, sicher, aber...“
Er sah zu der Frau hinüber. Sie
saß in einem Sessel unter einem riesigen Bild von sich selbst. Aber ihr Freund
hielt es nicht für nötig, mich ihr vorzustellen. Ein Privatdetektiv! Um diese
Uhrzeit! Die Frau war etwa dreißig, schien groß, war hübsch, gute Figur. In
ihrem Abendkleid wirkte sie kaum weniger nackt als auf der Leinwand über ihr.
Sie sah mich mit einer
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