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Bambule am Boul Mich

Bambule am Boul Mich

Titel: Bambule am Boul Mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Galant, wie Sie sind, haben Sie
mich zum Teufel geschickt. Hab mich aber nicht abschrecken lassen. Wenn Ihre
kleine Hélène sich etwas in den Kopf setzt, läßt sie sich nicht davon
abbringen. Trotz Grippe hab ich über jemanden ein paar Erkundigungen
eingezogen.“
    „Über wen?“
    „Dr. Leverrier... Reißen Sie
die Augen nicht so weit auf, die sehen schon in Normalgröße schrecklich genug
aus. Davon hätten Sie blind werden können...“
    „...und Sie nicht mehr
bewundern können. Na ja, anfassen wäre noch gegangen.“
    „Pfoten weg!“ sagte sie. „Ich
laß mich nicht befummeln. Jedenfalls nicht am frühen Morgen.“
    „Wir haben ja noch Zeit genug.
Aber weiter.“
    „Mir kam es seltsam vor, daß
ein Arzt seiner Frau nicht helfen konnte.“
    „Ärzte sterben wie wir, samt
ihren Angehörigen.“
    „Schon möglich, aber
trotzdem... Ich hab also Erkundigungen eingezogen.“
    „Und was ist dabei
rausgekommen?“
    „Nicht viel. Hatte mir mehr
erhofft.“
    „Also, was?“
    „Erstens: Leverrier hat eine
Geliebte.“
    „Wie furchtbar! Aber, liebe
Hélène, er ist seit drei Jahren Witwer. Und Arzt. Er weiß besser als jeder
andere über Hygiene Bescheid.“
    „Bitte! Verschonen Sie mich mit
Ihrem Zynismus. Vielleicht hatte er seine Geliebte schon, als seine Frau noch
lebte.“
    „Aber genau wissen Sie das
nicht?“
    „Nein. Nur, daß sie nicht
zusammenleben. Getrennte Haushalte. Die Frau ist geschieden, heißt Lucienne
Darbaud und wohnt in der Rue Pierre-Nicole, etwas oberhalb vom Collège Sévigné,
auf der anderen Seite. Sie ist mindestens zwanzig Jahre jünger.“
    „Und zweitens?“
    „Äh... Sie machen sich über
mich lustig. Na ja, egal. Hab mir gedacht, daß Leverrier die Krankheit seiner
Frau ausgenutzt hat, um sie sterben zu lassen. Ich hab also unsere Bekannten
aus der Versicherungsbranche abgeklappert.“
    „Warum?“
    „Begreifen Sie nicht? Wenn
Madame Leverrier eine Lebensversicherung hatte
    „Aha! Und hatte sie eine?“
    „Ja und nein.“
    „Versteh ich nicht.“
    „Sie hatte mal eine, beim Doppeladler. Etwa ein halbes Jahr, bevor sie krank wurde, hat ihr Mann den Vertrag
gekündigt. Bleibt also nur noch die Möglichkeit, daß er seine Frau wegen der
großen Liebe loswerden wollte. Finanzielles Interesse scheidet aus.“
    „Und sofort steigt er in Ihrer
Achtung, hm?“
    Sie zuckte die Achseln.
    „Weder gestiegen noch gesunken.
Ich bin nur meinem Instinkt gefolgt. Auf jeden Fall hat er die Bahn
freigemacht.“
    „Danke, Chérie. Aber was ich
suche, sind Pauls Gründe für den Selbstmord.“
    „Haben Sie immer noch keinen
gefunden.“
    „Vielleicht eine Spur. Dr.
Leverrier ist Gynäkologe. Alles spricht dafür, daß er den ärztlichen Ehrenkodex
mehr als einmal verletzt hat. In gewissen Fällen, wenn Sie verstehen. Paul war
in dieser Frage kompromißlos. Als er von dem Treiben seines Vaters erfuhr, war
seine Ehre verletzt, und er hat seinem Leben ein Ende gesetzt.“
    „Oh! Aber... mein Gott!
Yolande...“
    „Nein. Das war Kurpfuscherei,
Marke Van Straeten. Dr. Leverrier kennt sich da besser aus... Und was machen
wir jetzt mit dem angebrochenen Vormittag? Ziehen Sie sich aus, oder soll ich
mich anziehen?“
    „Ziehen Sie sich an“, bestimmte
sie schroff. „Werfen wir unsere Mikroben in einen Topf, und lassen wir sie in
irgendeinem Kino wieder frei.“
    Ich schlurfte ins Badezimmer.
Als ich zurückkam, saß Hélène auf meinem Bett und blätterte in Les Fleurs du
Mal.
    „Dieses Buch“, erklärte ich und
nahm es ihr aus der Hand, „ist Paul Leverrier geklaut worden, von Van Straeten.
Bestimmt in der Nacht, als er sich das Leben genommen hat. Morgen oder
übermorgen bring ich’s seinem Vater.“
    „Und inzwischen lesen Sie
darin. Es lag auf Ihrem Nachttisch.“
    „Ja. Seit gestern sauge ich
mich wieder mit Baudelaire voll. Ein ausgezeichnetes Buch. Möchte nicht wissen,
was ohne die Verse aus mir geworden wäre.“
     
    Am Montag glänzte die Sonne
durch Abwesenheit. Der Himmel hing tief und schwer über Paris. Ein
schmutziggraues Wetter, kalt. Es sah nach Schnee aus. Gar nicht lustig.
    Die Morgenzeitungen
veröffentlichten eine Art Kommuniqué von Florimond Faroux über die „blutigen
Ereignisse“ an der Place de la Contrescarpe und der Rue Rollin. Den Flics war
es gelungen, den „Kunstfotografen“ zu schnappen, der für Van Straeten
gearbeitet hatte, dazu zwei oder drei der Komplizen, die nach dem Vorbild
Alexandres zu ähnlichen krummen Dingen verleitet worden

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