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Bambule am Boul Mich

Bambule am Boul Mich

Titel: Bambule am Boul Mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Simon oder so
eingeschrieben?“
    „Im
Cours Mazarine, Rue Mazarine, in Saint-Germain-des-Prés. Um über die Runden zu kommen,
arbeite ich bei Colin des Cayeux.“
    „Und dadurch bekommen Sie auch
gleichzeitig praktische Erfahrung.“
    „Genau.“
    Sie kramte in ihrer Mappe,
holte schließlich zehntausend Francs in Fünferscheinen hervor.
    „Das ist alles, was ich habe...
im Augenblick“, sagte sie. „Reicht das?“
    „Vollkommen.“
    Um so mehr, weil ich ihr das Geld
nach der Komödie wiedergeben wollte. Ich hab zwar nie Kurse besucht, weder den
von Simon noch den von Mazarine, aber ich spielte gut. Ich gab ihr eine
Quittung über den Betrag. Sie machte sich noch etwas schöner, knöpfte ihren
Duflecoat zu und gab mir die Hand. Eine kühle Hand, leicht zitternd, aber
voller Vertrauen.
    „Danke, Monsieur Burma.“
    Durch ihre langen Wimpern kam
ein dankbarer Blick auf mich zu. Ich brachte sie zur Tür. Im Treppenhaus
herrschte eine Affenkälte. Dadurch roch man das Parfüm der frühzeitigen Witwe noch
stärker. Meine Nase machte reichlich Gebrauch davon.
    Als sie weg war, setzte ich
mich wieder in meinen Sessel und zündete meine Pfeife und eine Lampe an. Die
Nacht brach schnell herein. Dann nahm ich mir nochmal die Zeitungsartikel vor
und machte Notizen. Kurz darauf kam mir die kranke Hélène in den Sinn. Ich
schnappte mir das Telefon, um zu hören, wie’s ihr ging. Sie lag im Bett; es
ging ihr nicht besser, aber auch nicht schlechter. Ja, ja, so ist das. Ich
legte auf, nahm Hut und Mantel und verließ mein Büro.
    Es schneite immer noch. Der
Schnee schmolz aber sofort auf dem Boden und verwandelte sich unter den Füßen
der Passanten und den Rädern der Autos in den schönsten Matsch.

Streitgespräch um
eine Leiche
     
    Ungefähr eine halbe Stunde
später war ich in der Tour Pointue . Kommissar Florimond
Faroux, mein alter Komplize, Chef der Kripo, saß unter dem Bild des wachsamen
Polizeipräfekten in seinem Büro. Seine obere Gesichtshälfte lag im Schatten des
Lampenschirms. Die Zigarette in seinem Mund wurde mehr zerkaut als geraucht.
Wir gaben uns im Lichtkegel die Hand, über einem Aschenbecher, der von
Zigarettenkippen und abgebrannten Streichhölzern überquoll. Die üblichen
Begrüßungsfloskeln.
    „Scheißwetter, was?“ schimpfte
der Kommissar und zeigte mit dem Kinn in Richtung Fenster, durch das man einen
Teil der Sainte-Chapelle sehen kann, wenn es draußen hell ist.
    Ich nahm meinen Hut ab und
schüttelte die Tropfen runter.
    „Ja, es schneit, und die Luft
ist sehr kühl.“
    Er lachte laut los.
    „Im Ernst?“
    „Im Ernst.“
    „Hoffentlich bleibt das so!“
    „Ich dachte, Sie wären mehr der
Sonne zugetan. Sagten Gnädige Frau nicht soeben: ,Scheiß wetter“?“
    „Ich meinte das Gespräch.
Großer Gott! Wenn ich mit Ihnen immer solche Gespräche führen dürfte!
Vielleicht etwas dämlich, aber schön geruhsam.“
    „Ach so! Verstehe... Darf man
sich setzen?“
    „Man darf.“
    An der Wand standen
nebeneinander drei Stühle. Sahen ganz anständig aus. Aber vielleicht sollte man
sich besser nicht zu sehr darauf verlassen. Davon haben sie bei der Kripo ein
ganzes Lager. Wacklig, darauf dressiert, sofort zu knarren, wenn jemand seinen
Hintern draufsetzt, und nicht mehr damit aufzuhören. Reserviert für die, die
als Zeugen in dieses Haus kommen und sicher sein können, als Täter abgeführt zu
werden. Die wackligen Stühle, ihr Knarren, Stöhnen und Schreien bringt sie aus
dem Konzept. Sozusagen als zusätzliche Folter zu den bohrenden Fragen. Ich
kümmerte mich nicht um diesen kleinen Trick des Hauses, aber ich hätte trotzdem
gerne bequemer gesessen. Ich zog also den Stuhl, der mir am stabilsten aussah,
an den Schreibtisch ran und setzte mich.
    „Verstehe“, wiederholte ich.
„Nur... Ich bin nicht hergekommen, um mit Ihnen Friseurgespräche zu führen.“
    „Dacht ich’s mir doch. Wo
fehlt’s denn?“
    „Nichts fehlt. Nur Hélène fehlt
was.“
    „Was hat die Kleine denn?“
    „Grippe. Davon abgesehen,
interessiere ich mich für einen abgeschlossenen Fall, von dem Sie bestimmt
nichts gehört haben. Glaub ich jedenfalls.“
    „Welcher Fall?“
    „Der Fall Leverrier. Paul
Leverrier.“
    „Paul Leverrier?“
    „Ja.“
    Seine graumelierten
Schnurrbarthaare richteten sich auf, wie immer, wenn er nachdachte. Der
Kommissar hustete, warf seine Kippe zu den anderen in den Aschenbecher und fing
an, sich mit seinen langen, knochigen, nikotinfarbenen Fingern eine

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